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NEWS

Interview mit Jeff Nippard – Training während der Diät

By Simon | In Interviews | on November 15, 2016
DO IT!

 

 

Zusammenfassung der wichtigsten Punkte:

 

  1. Zu Beginn einer Diät, ändere erstmal gar nichts und trainiere so, wie du es auch in einer Aufbauphase mit Kalorienüberschuss tun würdest. Versuche das so lange wie möglich beizubehalten.
  2. Wenn du zu irgendeinem Punkt mit der Erholung nicht mehr hinterherkommst, baue zuerst einen Deload ein und schaue dann, wie du dich anschließend fühlst.
  3.  Bist du danach wieder frisch, mach‘ weiter wie zu vor. Falls nicht, reduziere das Volumen. Wann genau das ist, ist abhängig vom jeweiligen Individuum und dem jeweiligen Zeitpunkt in der Diät.
  4. Du musst dich nicht darum sorgen, Muskeln zu verlieren, wenn du den Trainingsumfang reduzierst! Um eine Adaption (in diesem Fall Muskelmasse) zu erhalten, braucht es deutlich weniger als diese überhaupt erst aufzubauen.
  5. Versuche so lange wie möglich, dein Kraftlevel zu erhalten. Ist das nicht mehr möglich, solltest du zumindest versuchen, ein angemessenes Maß an Einsatz („Intensity of effort“) in dein Training zu stecken. Es ist möglich, mit einer ganzen Bandbreite an Wiederholungsbereichen Muskeln aufzubauen bzw. zu erhalten.
  6. Sein Training zu autoregulieren und beispielsweise von einem RPE System Gebrauch zu machen, kann gerade in einer Diät eine sinnvolle Strategie darstellen.
  7.  Achte darauf, dass du eine korrekte Ausführung beibehältst. Die Technik schleifen zu lassen, um weiterhin dieselben Gewichte wie bisher zu bewegen, ist keine gute Idee, steigert die Vereltzungsgefahr und du erreichst damit deinen Zielmuskel weniger effektiv.
  8. Um möglichst kein Risiko einzugehen, an Muskulatur einzubüßen, strebe einen langsameren Gewichtsverlust an und nimm‘ dir für deine Diät Zeit. Ein Gewichtsverlust von 0.5-1%/Körpergewicht pro Woche sind ein guter Richtwert.
  9. Cardio dient vor allem dazu, das Kaloriendefizit zu vergrößern und den Fettverlust am Laufen zu halten. Hochintensives Intervalltraining solltest du eher mit Vorsicht einsetzen, weil es sich leicht mit dem Krafttraining beißen kann und sowieso einen recht ähnlichen Stimulus bietet – leichtes bis moderates Ausdauertraining bei einer Herzfrequez von ~120-130 ist ein ganz gute Ausdauerform, die du, je nach Bedarf, einbauen kannst.

 


Deutsches Transkript

WIK (Intro)

Hallo zusammen! Heute habe ich die Ehre, mit jemandem sprechen zu können, der sich in Sachen Training und Ernährung ziemlich gut auskennt: Jeff Nippard.

Jeff ist ein naturaler Profi Bodybuilder und Kraftdreikämpfer aus Kanada, er ist Coach und hat einen Bachelor-Abschluss in Biochemie. Außerdem macht Jeff super informative Videos auf YouTube, die ich jedem wirklich nur ans Herz legen kann.

Wer mehr über ihn erfahren möchte, sollte definitiv auch bei seinen anderen Social Media Kanälen vorbeischauen. Die Links dazu findet ihr alle in der Beschreibungsbox.

Und als eine kleine Einführung vorab: in diesem Interview diskutieren wir ein ganz bestimmtes Thema, nämlich wie man das Training während einer Diät am besten gestaltet. Dabei gehen wir z.B. darauf ein, was mit dem Trainingsvolumen geschehen sollte, wie wichtig es ist, sein Kraftlevel zu erhalten und ob Deloads sinnvoll sind oder nicht.

Jetzt reicht es aber mit Informationen vorab: auf geht’s!

 

WIK

Jeff, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, um dieses kleine Interview mit mir zu führen. Das weiß ich wirklich sehr zu schätzen und ich denke, die Zuhörer werden das genauso tun.

Aber bevor wir mit den eigentlichen Fragen beginnen, könntest du dich denjenigen, die vielleicht noch nicht von dir gehört haben, kurz vorstellen und erzählen, was du aktuell machst bzw. wie du den Weg zum Bodybuilding und Kraftdreikampf gefunden hast?

 

Jeff

Klar! Mein Name ist Jeff Nippard und ich bin ein kanadischer, naturaler Pro Bodybuilder. Das bedeutet, dass ich in solchen Verbänden starte, die die Athleten auf Dinge wie anabole Steroide und andere verbotene Substanzen testen. Bevor ich 2014 Profi geworden bin, habe ich an Wettkämpfen der CBBF (gehört zur IFBB) in Kanada teilgenommen, dabei mehrere Siege verschiedener Provinzmeisterschaften verbuchen und den Titel des kanadischen Meisters in der Juniorenklasse gewinnen können.

Darüber hinaus habe ich an mehreren Kraftdreikampfen teilgenommen, wo meine beste Leistung wahrscheinlich darin besteht, dass ich eine Zeit lang kanadischer Rekordhalter im Bankdrücken war. Ich habe mich auch international qualifiziert, so wie für die Arnold Classics 2015, musste das Event auf Grund von Rückenproblemen aber leider absagen.

Mein Fokus liegt in letzter Zeit daher mehr auf einem hypertrophieorientierten Training, obwohl ich glaube, dass meine Wurzeln gerade im schweren Training liegen.

Auch bin ich ein Coach und betreue andere Bodybuilder und Kraftdreikämpfer. Dabei versuche ich mit meinem Bachelor-Abschluss in Biochemie, den Erfahrungen aus meinem eigenen Training und dem meiner Klienten einen sehr wissenschaftlichen und umfassenden Ansatz zu wählen.

Ansonsten betreibe ich noch einen Youtube-Kanal, auf dem ich Interviews mit verschiedenen Experten und Elite-Athleten aus dem Bereich führe und meine eigene Reise im Sport dokumentiere. Es ist also eine Art Mischung aus Vlog’s, Lifestyle und informativen Inhalten.

 

WIK

Da du gerade dein Coaching angesprochen hast: betreust du vor allem Wettkampfathleten?

 

Jeff

Ich würde sagen, knapp die Hälfte meiner Klienten sind wettkampforientierte Athleten, wobei der Großteil definitiv auf einem (sehr) fortgeschrittenen Level ist und bereits mehrere Jahre Trainingserfahrung mit bringt.

 

WIK

Und was dich betrifft, hast du schon Pläne für zukünftige Bodybuilding-Meisterschaften oder Kraftdreikampf-Wettkämpfe?

 

Jeff

Ja, auf jeden Fall. Der Kraftdreikampf wäre aber als erstes an der Reihe und wahrscheinlich würde ich wegen meiner Rückenprobleme auch nur an einem reinen Bankdrück-Wettkampf teilnehmen. Anfang 2017 werde ich vermutlich wieder starten.

Die nächste Bodybuilding-Show wird wahrscheinlich erst 2018 anfallen. Denn wie sicherlich die meisten deiner Leser wissen werden, dauert es einfach sehr lange, natural Muskeln aufzubauen und je fortgeschrittener man ist, desto langwieriger wird dieser Prozess. Ich trainiere mittlerweile seit 11 Jahren, da nimmt der Ertrag ab einem bestimmten Punkt ganz einfach ab und man muss geduldig bleiben. Ich denke also, ich werde mich noch 1 Jahr vorbereiten und dann 2018 wieder einen Fuß auf die Bühne setzen.

 

jeff-1

 

WIK

Okay klingt gut!

Das Thema, worauf ich mich heute fokussieren möchte, ist das der Trainingsplanung während einer Diät. Ich glaube, dass gerade das ziemlich interessant ist, weil viele nicht genau zu wissen scheinen, was genau sie mit ihrem Training in dieser speziellen Phase machen sollen. Wenig verwunderlich gibt es auch immer noch einige Mythen, die im Internet herumkursieren.

Könntest du zu Beginn vielleicht kurz darauf eingehen, wie sich der ganze Sinn von Krafttraining, also das Ziel, das wir mit dem Training im Studio verfolgen, in Phasen mit Kaloriendefizit von dem in Phasen mit Kalorienüberschuss unterscheidet?

 

Jeff

Also wenn wir uns auf das Krafttraining beziehen, dann besteht das Ziel in Phasen mit Kalorienüberschuss ganz simpel darin, Muskeln und/oder Kraft aufzubauen, mit dem Fokus – je nach Zielstellung – mehr auf das eine oder das andere. Wobei sich beide sowieso deutlich überschneiden.

In einem Kaloriendefizit ist das Ziel, mechanistisch betrachtet, dasselbe, allerdings mit dem Unterschied, dass die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich Muskeln aufzubauen, deutlich geringer ist (außer du bist eine Maschine, ein Anfänger oder nutzt Steroide).

Wenn wir uns also naturale Athleten mit einigen Jahren Trainingserfahrung und relativ geringem Körperfettanteil anschauen, dann besteht das Ziel mehr darin, Muskelmasse zu erhalten und nicht aufzubauen.

Es ist also nur ein kleiner Unterschied, allerdings einer, der aus meiner Sicht durchaus erwähnenswert ist. Denn manche Leute scheinen zu glauben, dass sie auch während einer Diät ihre Schwachstellen verbessern könnten, wenn sie bloß hart genug trainieren. Das sollte aber eigentlich das Ziel in der Offseason sein, denn in dieser Phase wird man die wirklichen Veränderungen an seinem Körper erreichen können. In einer Diät versucht man dann lediglich, die vorherige Arbeit und die neue Muskelmasse „freizulegen“.

 

WIK

Mit diesem kleinen Unterschied zwischen den beiden Phasen (Diät oder Muskelaufbau) gibt es wahrscheinlich auch bestimmte Aspekte, die sich in unserem Training verändern müssen, richtig? Oder können wir im Prinzip exakt dasselbe machen, egal ob wir uns in einem Kaloriendefizit oder -überschuss befinden?

 

Jeff

Ich könnte das Interview jetzt ziemlich schnell beenden und sagen, nichts müsse sich ändern, haha!

Nein, aber mal ernsthaft. Du kennst ja wahrscheinlich selbst das Sprichwort: „das, was Muskelmasse am besten wachsen lässt, erhält sie auch am besten.“. Und ich denke, das ist mehr oder weniger richtig. Wir können natürlich auf die Details eingehen, wenn das nicht mehr gegeben ist, aber generell gesprochen sollte man, solange man kann, auch in einer Diät an denselben Trainingsprinzipien festhalten.

Das widerspricht dem, was oft in der „Brokunde“ vermittelt wird. Wenn du beispielsweise ein Magazin von vor einigen Jahren anschaust (die neueren arbeiten mittlerweile etwas wissenschaftlicher) oder dich im Studio umhörst, dann wird dir wahrscheinlich gesagt, in einer Diät solltest du die Wiederholungen nach oben schrauben, die Pausenzeiten verkürzen, eventuell sogar die Übungen wechseln und mehr „Formübungen“ einbauen. Beispielsweise seien Kniebeugen gut, um Muskeln aufzubauen und  der Beinstrecker und -beuger geeignet, um Fett zu verbrennen. Das ist alles wissenschaftlich nicht erwiesen und etwas, das wir „Broscience“ nennen würden. Das ist also etwas, das man nicht allzu ernst nehmen sollte, auch wenn es durchaus berechtigt sein kann, höhere Wiederholungszahlen, kürzere Pausen und Isoalationsübungen einzusetzen – nur tut man das eben aus einem anderen Grund als viele Leute annehmen und der Großteil des Trainings sollte auch nicht so aussehen.

Wenn man also seine Diät beginnt, sollte man erstmal gar nichts verändern und, so lange man kann, alles so lassen wie bisher.

Vielleicht kannst du hier ja mit deinen Gedanken anknüpfen, bevor wir mehr auf die Details eingehen.

 

WIK

Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, gerade der letzte Punkt, den du angesprochen hast, ist ein sehr guter, weil er eine Meinung einiger Leute ziemlich klar widerspiegelt.

Denn so viele Sportler scheinen zu glauben, dass sie ihr Volumen sofort drastisch kürzen müssten, sobald sie in eine Diät starten und die Kalorien reduzieren. Dabei wird es höchstwahrscheinlich nicht passieren, dass man an Kraft oder Leistung einbüßt, wenn man erst eine Woche Diät gehalten hat. In dieser kurzen Zeitspanne wird diesbezüglich vermutlich erstmal gar nichts passieren, vor allem dann nicht, wenn der Körperfettlevel zu Beginn relativ hoch war. Klar, das könnte für jemandem, der mit sehr geringen Körperfettanteil in die Diät startet, etwas anders aussehen – aber die meisten werden davon wohl kaum betroffen sein.

Meine nächste Frage wäre dann: wie wichtig ist es, seine Kraft und damit die Intensität während einer Diät zu erhalten? Ist es quasi das A und O, wenn es darum geht, seine Muskulatur zu behalten und sollten wir uns dementsprechend vor allem darauf fokussieren?

 

Jeff

Das ist eine sehr gute Frage. Aber vorher möchte ich noch kurz auf die anderen beiden Dinge eingehen, die du erwähnt hast.

Dass die Leute glauben, sie müssten ihr Volumen sofort reduzieren, sobald sie eine Diät beginnen, hängt glaube ich sehr davon ab, wenn genau du fragst. Wenn du dich mehr in dem Bereich des Sports umschaust, indem gewisse „Hilfsmittel“ zum Einsatz kommen, wirst du hören, dass viele dieser Athleten ihr Trainingsvolumen sogar erhöhen. Denn oft ist es so, dass diese Athleten zu Beginn der Wettkampfvorbereitung alles nach oben schrauben (WIK: Kreatin undso…) und teilweise dann sogar bis zum Wettkampf hin Muskeln aufbauen und an Gewicht zulegen. Das ist zwar nicht unbedingt eine „Diät“, wie wir sie definieren würden, aber diese Sportler bereiten sich ebenso auf einen Wettkampf vor wie naturale Athleten und reduzieren ihren Körperfettanteil.

Und ich glaube, manche naturale Athleten haben sich dieses Vorgehen einfach abgeschaut, in der Annahme, es sei eine gute Idee, das Volumen zu erhöhen – denn schließlich machen es die anderen ja auch. Quasi mit dem Gedanken:

Mein Wettkampf rückt immer näher, ich muss jetzt mehr und mehr machen!

Ich glaube, das ist relativ offensichtlich eine dumme Idee. In einer Diät wird man höchst unwahrscheilich an Muskelmasse aufbauen können und dadurch eher nur seine Regenerationskapazitäten unnötig einschränken. Das würde ich also nicht empfehlen. Und wenn jemand das Volumen anheben wollte, dann sollte das nach und nach, in kleinen Schritten, und nicht in enormem Ausmaß vom einen auf den anderen Tag erfolgen.

Sein Volumen sofort zu reduzieren ist glaube ich der klügere, aber ebenfalls nicht der optimale Weg. Es wird zwar vermutlich ein Punkt in der Diät kommen, an dem es sinnvoll ist, das Volumen zu senken, aber sicherlich nicht bereits zu Beginn der Diät.

Wann genau dieser Punkt kommt und wie sehr der Trainingsumfang dann reduziert werden sollte, ist meiner Auffassung nach davon abhängig, wo die jeweilige Person zu Beginn der Diät steht. Wie du bereits gesagt hast, wird derjenige, der mit relativ geringem Körperfettanteil in die Diät startet, früher einen Leistungseinbruch erfahren als derjenige, der ein größeres Ausmaß an Körperfett mitbringt. Letzterer könnte in der anfänglichen Phase sogar im Kaloriendefizit an Muskulatur aufbauen, weil die überschüssige Energie, um das zu ermöglichen, zur Verfügung steht. Es hängt also insgesamt sehr von dem jeweiligen Individuum ab, was genau ich tun würde.

Zu deiner eigentlichen Frage bezüglich der Kraft und Trainingsintensität: Intensität ist eine interessante Sache, weil es dazu verschiedene Definitionen in der wissenschaftlichen Literatur gibt. Die eine ist im Prinzip einfach das Gewicht auf der Hantel, entweder in Form eines Prozentsatzes eines 1RM oder ausgedrückt als Wiederholungsmaximum, z.B. ein 8RM. Die andere Definition ist etwas subjektiver und drückt den „Grad an Anstrengung“ aus, also wie weit entfernt man sich vom Muskelversagen befindet. Eine pseudo-subjektive Art und Weise das zu messen, wäre nach dem Konzept von „Reps in Reserve (Wiederholungen im Tank)“. Dabei schaut man quasi nach jedem Satz, wie viele Wiederholungen man noch hätte ausführen können. Wenn man nach einem Satz schätzt, man hätte noch zwei Wiederholungen absolvieren können, wäre die Intensität geringer als bei einem Satz, in dem man nur noch eine Wiederholungen „im Tank“ hätte.

Und ich denke, diese Unterscheidung ist wichtig, denn eine dieser beiden Formen von Intensität wird im Laufe der Diät ziemlich sicher sinken: die absolute Intensität bzw. das Gewicht auf der Hantel. Denn allein das sinkende Körpergewicht, ohne all die anderen physiologischen Prozesse zu betrachten, wird zu Folge haben, dass man an Kraft verliert. Doch obwohl beispielsweise das absolut bewegte Gewicht in einem 8RM Satz sinkt, so setzt ein 8RM Satz immer einen sehr ähnlichen Grad an Anstrengung voraus. Und das ist es, denke ich, was man versuchen sollte, beizubehalten: einen ähnlichen Anstrengungslevel.

Klar, es ist natürlich trotzdem sinnvoll zu versuchen, seine Kraft und das absolute Gewicht solange wie möglich zu erhalten. Was mir allerdings immer wieder auffällt, ist, dass Leute in der Erhaltung der Kraft eine Art „Gold-Standard“ in dem Erhalt von Muskelmasse sehen. Es ist aber nicht so, dass man, sobald man etwas an Kraft verliert, automatisch auch an Muskulatur einbüßt. Trotzdem machen manche Athleten Dinge im Training, die für Wettkampf-Bodybuilder eigentlich keinen Sinn ergeben, wie z.B. sehr niedrige Wiederholungen (schwere 1-3er Wiederholungen) einzusetzen, die eigentlich nur das Verletzungsrisiko unnötig erhöhen und keinen wirklichen Reiz für den Muskelaufbau bieten.

Insgesamt ist der Fokus auf dem Erhalt der absoluten Kraft meiner Meinung nach also etwas übertrieben und man sollte den Fokus mehr auf die relative Krafterhaltung bzw. einen konstanten Grad an Anstrengung legen.

 

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WIK

Ja, das ergibt Sinn. Und das, was du da gerade angesprochen hast, ist im Prinzip das Thema der Autoregulation, richtig? Sprich, du hältst die Anstrengung des Trainings konstant, auch wenn das absolute Hantelgewicht im Laufe der Diät vielleicht sinkt. Denkst du, dass ein autoreguliertes Training gerade in der Diät eine sinnvolle Sache sein kann? Wie beispielsweise das RPE-System?

 

Jeff

Definitiv, ja. Ich denke, das RPE-System ist so oder so eine gute Sache, egal, ob man sich nun in einer Diät oder einem Kalorienüberschuss befindet. Aber es ist sicherlich besonders beim Training während eines Kaloriendefizits wertvoll.

Der Nachteil des RPE-Systems während einer Diät ist allerdings, denke ich, der Nachteil, den das RPE-System generell hat. Und zwar, dass manche Personen einfach nicht gut darin sind, abzuschätzen, wie viele Wiederholungen sie in einem Satz noch hätten machen können.

Aber um das Ganze vielleicht nochmal kurz zu erklären: RPE steht für „Rate of Perceived Exertion“ und ist quasi das Gegenteil zu dem Konzept von „Reps in Reserve (Wiederholungen im Tank)“. Betrachtet man die RPE Skala von 1-10 (10 = maximale Anstrengung), dann würde eine Wiederholung im Tank also einer RPE von 9 entsprechen, zwei Wiederholungen im Tank würden einer RPE von 8 entsprechen usw.

rpe-rir-deutsch

 

Und Studien zu dem Thema zeigen, dass Anfänger und leicht Fortgeschrittene in der Regel schlechter darin sind, genaue RPE Werte einzuschätzen als erfahrenere Sportler. Das sollte man beim Einsatz dieses Systems also immer berücksichtigen.

Wenn es um Bodybuilder in der Wettkampfvorbereitung geht, gibt es meiner Erfahrung nach hier oft mehrere psychologische Probleme. Beispielsweise sind die einen in einer Art „Hardcore“, „Was immer es auch kosten mag“-Einstellung gefangen und neigen dazu, ihre RPE Werte gerne mal zu unterschätzen. Weil dieser Typ Athlet immer bis an die Grenze gehen möchte, sollte man Autoregulation hier mit Vorsicht einsetzen. Die anderen hingegen verfallen in eine Art „Opfer“-Rolle und beklagen sich ständig, wie hart das Training doch sei. Diejenigen geben vielleicht RPE Werte von 9 an, obwohl sie nicht nur eine, sondern noch mehrere Wiederholungen hätten ausführen können.

Generell macht Autoregulation in einer Diät jedoch Sinn, einfach, da damit sowohl gute als auch schlechte Tage berücksichtigt werden können. Und in einer Diät ist es gerade dann angebracht, härter zu trainieren, wenn man auch tatsächlich einen guten Tag hat – denn diese guten Tage sind oftmals rar. Und wenn man einen schlechten Tag hat, kann man mit einem autoreguliertem Training die Gewichte ganz einfach etwas zurückschrauben. Das ist nicht nur ein sichererer Ansatz, sondern auch einer, der psychisch besser verkraftbar ist. Er sorgt einfach für etwas weniger psychologischen Stress, wenn ein Athlet mal einen weniger guten Tag im Studio hat. Das ist ein Aspekt, der, glaube ich, gerade in Phasen mit Kaloriendefizit besonders wichtig wird.

 

WIK

Denkst, du, dass ein autoreguliertes Training in manchen Fällen auch weniger sinnvoll sein könnte, einfach, weil man weniger objektive Entscheidungen trifft und sich mehr von Emotionen leiten lässt? Denn Diäten sind nicht nur eine physische, sondern auch eine große psychische Belastung. Vor allem gegen Ende einer solchen Phase, in der die Kalorien sehr niedrig sind und man sich quasi von Tag zu Tag kämpft.

 

Jeff

Auf jeden Fall. Das spricht im Prinzip die letzte Kategorie an, die ich eben erwähnt habe. Was in diesem Fall klug sein kann, wäre, dem Athleten eine Kombination aus Prozenten vom 1RM (also feste Gewichtsvorgaben) und einen ungefähren RPE Wert anzugeben.

Und ein weiteres, nützliches Tool für einen Coach, dass ich mir von Bryce Lewis abgeschaut habe, ist, den Athleten aufzufordern, den RPE Wert seines letzten Satzes zu notieren. Man fordert sie dadurch auf, ihren Einsatz nochmal zu reflektieren und zu überlegen, wie viele Wiederholungen sie in diesem Satz noch hätten machen können. Nehmen wir an, ich gebe einem Athleten vor, 3 Sätze mit je 8 Wiederholungen bei einem bestimmten Prozentsatz vom 1RM auszuführen und ich erwarte, dass der Sportler bei einer RPE 8-9 landen wird. Wenn der jetzt aber einen Wert von RPE 6 notiert, dann weiß ich als Coach, dass derjenige noch immer an Kraft dazu gewinnt und wir die Gewichte steigern können. Das ist also ein nützliches Feedback, dass Leute sowohl mit Coach als auch für sich selbst nutzen können und verhindert, dass man entweder immer an die Grenze geht und irgendwann gegen die Wand rennt oder in diesen „unmotivierten Status“ verfällt, in dem man sich kaum aufraffen kann, sich anzustrengen. Einfach, weil man diesen bestimmten Prozentsatz vom 1RM als Ziel für den jeweiligen Satz verfolgt.

Man muss aber auch keine fixe Prozentangabe machen. Es ist genauso möglich, dass Ganze noch weiter zu autoregulieren und eine Spanne anzugeben, sodass z.B. aus 3×8 mit 75% dann 3×8 mit 72-77% werden. Anschließend zielt man für einen bestimmten RPE Wert ab. Manchmal fühlt man sich während des Aufwärmens zum Beispiel schon total schlapp, wie es mir selbst auch oft ergeht, aber nach und nach steigen die Endorphine und man fühlt sich kontinuierlich besser. Man ist in Folge also vielleicht stärker als man zunächst angenommen hat. In diesem Fall würde man sich einfach an dem oberen Ende dieser Prozent-Spanne orientieren, um seinen gewünschten RPE Wert zu erreichen.

Das sind meiner Meinung nach sehr nützliche Werkzeuge, die man verwenden kann.

 

WIK

Ja, das sehe ich genau so. Lass‘ uns aber nochmal kurz auf das Trainingsvolumen eingehen. Auch wenn wir versuchen sollten, den Umfang des Trainings beizubehalten, wird wahrscheinlich irgendwann ein Punkt kommen, an dem das Volumen zu viel wird. Einfach, da unsere Regenerationsfähigkeit in Phasen längeren Kaloriendefizits sinkt und wir uns von den Umfängen nicht mehr erholen können.

Nehmen wir beispielsweise an, an einem typischen Unterkörpertag hat man bisher 4 Sätze Kniebeugen gemacht. Im Laufe der Diät kommt vielleicht der Punkt, an dem man das Volumen auf 2 Sätze kürzen muss.

Denkst du, in so einem Fall könnte es sinnvoll sein, das reduzierte Volumen in den Kniebeugen durch zusätzliches Volumen mit anderen, weniger erschöpfenden Übungen (wie dem Beinstrecker oder Beinbeuger) „wettzumachen“?

 

Jeff

Ich würde nicht sagen, dass es nicht sinnvoll sein könnte, aber ich bin nicht davon überzeugt, dass es notwendig wäre. Vorausgesetzt, die Intensität der Anstrengung bleibt vorhanden, ist der Muskelerhalt deutlich leichter als Leute oft vermuten würden. Aus der Forschung auf dem Gebiet und im Prinzip aus der generellen Sportwissenschaft zeigt sich, dass es deutlich weniger braucht, um eine bestimmte Adaption zu erhalten als sie überhaupt erst aufzubauen.

Ich kann mich leider nicht mehr ganz an die exakten Details erinnern, aber es gab vor einiger Zeit eine Studie, in der unterschiedliche Gruppen für, ich glaube 16 Wochen, trainiert wurden (Einschub WIK: Studie von Bickel et al. von 2011). Anschließend hat die eine Gruppe überhaupt nicht mehr trainiert, eine Gruppe hat noch 1/3 und eine Gruppe noch 1/9 des ursprünglichen Volumens ausgeführt.

Im Ergebnis hat die Gruppe, die das Training komplett gestoppt hat, einige ihrer Anpassungen verloren, die 1/9-Gruppe hat den Großteil und die 1/3 quasi alle Adaptionen erhalten können.

Wenn man das bedenkt, dann hat eine Reduktion des Volumens auf die Hälfte oder vielleicht auf 2/3 des ursprünglichen Umfangs wahrscheinlich keine Auswirkung auf den Verlust von Muskelmasse. Der einzige Aspekt, den man bei dieser Studie beachten sollte, ist, dass sie nicht an Personen im Kaloriendefizit durchgeführt wurde. Ein Defizit selbst steigert allerdings schon das Risiko, Muskeln zu verlieren. Gepaart mit einer Reduktion im Volumen wäre es daher vielleicht klüger, das Volumen nicht ganz so  drastisch zu kürzen wie in der Studie. Wenn wir das Volumen also z.B., nicht wie in der Studie auf 1/3, sondern auf 2/3 reduzieren, dann würde das vermutlich jegliches Risiko für einen Muskelverlust eliminieren, selbst in einem Kaloriendefizit.

Ich bin daher weniger vorsichtig als viele andere, wenn es um eine Reduktion des Volumens geht. Außerdem sind viele derart besessen vom Trainingsvolumen geworden, ich finde, das ist etwas überzogen. Wie zuvor gesagt, würde ich die Intensität während einer Diät als einen wichtigeren Faktor erachten als das Volumen. Wenn man also eines beibehält, sollte es die Intensität sein.

 

jeff-2

 

WIK

Also zusammengefasst sollte man im Prinzip versuchen, die Intensität so gut es geht aufrechtzuerhalten und wenn eines gekürzt werden muss, dann wäre es das Volumen. Richtig?

 

Jeff

Richtig, das ist es, was ich tun würde.

Schauen wir uns z.B. mal eine übliche Wettkampfdiät mit 16-24 Wochen oder so an, dann sollte sich im ersten Viertel bis zur Hälfte dieses Zeitraumes erstmal gar nichts verändern. Nach ungefähr der Hälfte der Diät kann man damit anfangen, das Volumen zu kürzen. Das ist meist der Zeitpunkt, an dem man erste Auswirkungen der Diät spürt – man fühlt sich etwas schwächer, das Körpergewicht ist so weit gesunken, dass sich erste Einbrüche in der Kraft bemerkbar machen usw. Hier sollte man also die Intensität möglichst aufrechterhalten und das Volumen nach und nach senken. Man kann auch erstmal eine Deload-Woche einschieben, bevor man zu viel verändert und schauen, wie man sich danach fühlt.

Ich würde, wie gesagt, nur nicht in diese Haltung verfallen, das eine Reduktion im Trainingsvolumen sofort im Verlust von Muskelmasse resultiert, weil Volumen derart als „Driver“ für Hypertrophie dargestellt wird. Die Datenlage zeigt, dass man den Umfang auf 1/3 und sogar auf 1/9 senken kann (nimmt man die Menge an Erhaltungskalorien zu sich), ohne, dass das gravierende Auswirkungen auf die Muskulatur hat.

Und ich glaube, in Wirklichkeit ist die Größe des Kaloriendefizits, also wie aggressiv man Gewicht verliert, entscheidender für den Erhalt von Muskelmasse als diese Trainingsvariablen. Ein angemessener Gewichtsverlust von 0.5-1% des Körpergewichts pro Woche ist für die meisten Leute daher wohl der wichtigste Ratschlag, wollen die möglichst viel Muskelmasse erhalten.

Lass‘ es mich aber nochmal kurz zusammenfassen: kombiniert man eine angemessene Rate an Gewichtsverlust von 0.5-1%/Körpergewicht pro Woche mit einer angemessenen Intensität im Training, dann ist das wohl der beste Weg, um Muskeln zu erhalten.

 

WIK

Okay, alles klar. Ich glaube, in einem anderen Podcast hast du mal erzählt, dass du gegen Ende einer deiner Diäten einen ziemlich aggressiven Gewichtsverlust angepeilt hast. War das einfach deshalb, weil du mit der Vorbereitung im Verzug warst?

 

Jeff

Ja, genau. Ich glaube, das war sogar das Jahr, in dem ich meine Pro-Card bekommen habe. Es hat also funktioniert, haha. Ich habe einfach die Zeit unterschätzt, die ich brauchte und wie schwierig es für mich werden würde, Gewicht zu verlieren. Am Ende habe ich deshalb eine Variation von Lyle McDonald’s „Rapid Fatloss Diet“ implementiert (eine PSMF – protein sparing modified fast), in der Fette und Kohlenydrate sehr niedrig sind und das Protein sehr hoch.

Was Lyle für das Training während dieser Diät beschreibt, ist dabei ziemlich ähnlich zu dem, was ich hier beschrieben habe. Sprich, das Volumen wird ziemlich stark reduziert und man führt nur ein paar wirklich schwere Sätze, nahe bis zu Muskelversagen, aus.

 

WIK

Okay, aber solange es nicht notwendig ist, würdest du diese aggressive Vorgehensweise nicht empfehlen?

 

Jeff

Exakt. Ich habe das nur gemacht, weil ich mich am Ende der Vorbereitung befand und meine einzige Chance, erfolgreich am Wettkampf teilnehmen zu können, darin bestand, nochmal ordentlich an Körperfett in diesen letzten zwei Wochen zu verlieren.

 

WIK

Ja das ergibt Sinn. Ich meine, es ist absolut möglich, erfolgreich eine aggressivere Diät durchzuziehen. Ich denke, die wenigsten werden das bezweifeln. Aber es könnte eben auch mit einem etwas höheren Risiko verbunden sein, dass man an Muskelmasse einbüßt – zumindest, wenn man in relativ niedrige Körperfettregionen kommt.

Wie auch immer. Du hast gerade Deloads angesprochen und ich glaube, das ist so ein weiterer Mythos, der sich noch immer herumtreibt. Und zwar, dass diese leichten Wochen während einer Diät Zeitverschwendung seien. Ich habe ehrlich gesagt nie so ganz nachvollziehen können, wieso manche Personen das glauben (vermutlich wegen der Annahme: kein/weniger Training = Muskeln verlieren), vor allem, weil die Regenerationsfähigkeit in einer Diät schließlich irgendwann abnehmen wird. Und Deloads sind eigentlich eine super Sache, um die Erschöpfung im Zaum zu halten.

Was ist deine Meinung dazu?

 

Jeff

Ich würde niemals sagen, dass man zwangsläufig einen Deload braucht. Ich glaube das hängt wirklich vom jeweiligen Individuum und deren Regenerationsfähigkeiten ab. Wenn ich jemandes Training plane, dann behalte ich eine Deload-Woche als eine Art „Ass im Ärmel“ und setze sie ein, wenn es notwendig wird. Aber ich sehe sie nicht als Notwendigkeit an. Wenn ein Athlet sich gut erholt, dann gibt es keinen Grund dafür, einen Deload einzubauen, nur, „weil man das eben alle 4 oder 8 Wochen so macht“.

In einer Diät ist es hingegen schon eine gute Idee, die Erholung in den Vordergrund zu stellen, weil die allein auf Grund der reduzierten Kalorien schon eingeschränkt wird. Eine solche leichte Woche irgendwann in der Mitte der Diät oder so einzubauen, halte ich für eine gute Idee. Man kann das Ganze gleichzeitig mit einer Diät-Pause verbinden und den Athleten für diese Zeit etwas mehr Kalorien konsumieren lassen. Danach fühlt derjenige sich oftmals wieder fitter, die Glykogenspeicher sind wieder etwas voller und er ist bereit, den Rest der Diät anzugehen.

Wenn man eine wirkliche Wettkampf-Diät macht (was viele aus unterschiedlichen Gründen nicht können, bspw. passt es einfach nicht in den sonstigen Plan/das Leben der Person etc.), dann würde ich mindestens eine solche Woche und mindestens eine komplette Diät-Pause von 4-7 Tagen einbauen.

 

WIK

Okay. Und wie genau das abläuft, hängt sicherlich auch von der Länger der Diät ab, oder?

 

Jeff

Ja, es hängt von sehr vielen Faktoren ab. Wie lange die Diät ist, wie gering die Kalorien sind, wie tief der Körperfettanteil am Ende sein soll usw. Bikini-Athletinnen können z.B. bereits die gewünschte Form erreichen, ohne extrem hart Diät halten zu müssen und können quasi alles so beibehalten wie sonst auch. Andere, männliche Wettkämpfer, haben vielleicht schon sehr niedrige Setpoints und müssen ebenfalls keinen Deload einbauen.

Aber generell gesprochen, denke ich schon, dass Deload-Wochen angebracht sind, ja.

 

WIK

Alles klar. Am Ende, denke ich, behandelt man das Ganze einfach recht ähnlich wie in Phasen, in denen man Muskeln aufbauen möchte und macht es vom Athleten, dessen spezieller Trainingsphase etc. abhängig.

Okay Jeff. Wie du sicherlich weißt, scheint es drei primäre Mechanismen für das Muskelwachstum zu geben: mechanische Spannung, Muskelschäden und metabolischer Stress (mit mechanischem Stress wahrscheinlich als der Wichtigste Faktor dieser drei). Wenn man nun während einer Diät, an welchem Punkt auch immer, an Kraft verliert und die Gewichte reduzieren muss, dann sinkt auch die mechanische Spannung.

Könnte es an dieser Stelle eine gute Idee sein, diese verlorene mechanische Spannung durch mehr metabolischen Stress wieder auszugleichen und sein Training dahingehend etwas umzustellen?

 

Jeff

Das ist eine sehr gute Frage. Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob ich eine klare Meinung dazu habe. Aber egal, ich versuche einfach, die Frage auf eine sehr praktische Art und Weise zu beantworten.

Meiner Meinung nach ist es sowieso eine gute Idee, Teile seines Trainings darauf auszulegen, metabolischen Stress zu erzeugen. Auch wenn es insgesamt etwas kontrovers zu sein scheint, wie wichtig es für eine Hypertrophie wirklich ist, metabolischen Stress durch sehr hohe Wiederholungen im Bereich von 15-30 zu erzeugen (man erzeugt selbst durch schwereres Training im Bereich von 6-12 oder so ordentlich metabolischen Stress), kann es trotzdem einige Vorteile mit sich bringen. Auch Experten im Feld wie Dr. Brad Schoenfeld schlagen vor, dass es eine gute Idee ist, ein solches Training zu implementieren.

Ich meine, es kann zumindest nicht schaden, das zu tun. Man verbrennt mindestens einiges an Kalorien, man erzeugt einen metabolischen Effekt ähnlich wie bei einem hochintensiven Intervalltraining (Anzahl der Mitochondrien steigt, verbesserte Kapillarisierung und diese Geschichten), es könnte auch einige hormonelle Vorteile haben (z.B. eine höhere Ausschüttung von Epinephrin, das wiederum Auswirkungen auf die Fettverbrennung haben könnte) und man bekommt einen guten Pump. Man hat also nichts zu verlieren und eventuell verschafft es einige Vorteile – wieso also nicht ins Training einbauen?

Außerdem ist es eine gute Methode, um ansonsonstes monotones Training etwas spaßiger zu machen. Wenn man jedes mal 3 Sätze mit 6-8 Wiederholungen macht, kann es irgendwann langweilig werden. Man kann so beispielsweise auch unterschiedliche Tage in Form einer täglich undulierten Periodisierung planen, sodass man an dem einen einfach mehr „pumpt“ und an dem anderen mehr auf schweres Krafttraining abzielt.

Ich glaube, deine Frage war aber eigentlich, ob man die verloren gegangene, mechanische Spannung als Resultat eines Kraftverlusts ersetzen solle durch mehr Training, das auf die Erzeugung von metabolischem Stress aus ist. Und ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass es einen großen Unterschied machen würde. Wir wissen, dass es sowieso recht unwahrscheinlich ist, dass man Muskeln in der Zeit aufbauen wird und wir wissen, dass es nicht allzu viel braucht, um das Erreichte zu erhalten. Extra Pump-Training könnte eher die Regeneration negativ beeinflussen. Und wenn man seinen Energieverbrauch steigern muss, dann kann man auch einfach mehr Cardio-Training ausführen.

Aber ich meine, wenn man es nicht vollkommen übertreibt und verrückte Trainingseinheiten einbaut (z.B. Rich Piana’s 8 Stunden Armtraining), dann wird es auch keinen negativen Effekt haben, ein paar Sätze Curls oder Fliegende am Ende des Trainings auszuführen.

Solange die bisher genannten Faktoren umgesetzt werden, macht es meiner Ansicht nach kaum einen Unterschied.

 

 

WIK

Da hast du wahrscheinlich recht. Ein ansonsten weiterer, positiver Aspekt vom Training mit leichteren Gewichten und höheren Wiederholungen, den man an dieser Stelle erwähnen könnt, wäre, dass diese Form von Training in der Regel ziemlich gelenkschonend ist. Vielleicht gerade in der Diät keine schlechte Idee.

 

Jeff

Absolut!

Ich bin definitiv der Auffassung, dass man mit ganz unterschiedlichen Wiederholungsbereichen Muskeln aufbauen kann. Vorausgesetzt, wie ich quasi schon die ganze Zeit sage, dass eine gewisse Intensität gegeben ist.

Ich habe bisher zwar angepriesen, dass man schwerer und mit weniger Wiederholungen trainieren solle, aber die Wissenschaft zeigt mittlerweile ziemlich deutlich, dass man mit einer großen Spanne an Wiederholungsbereichen Muskeln aufbauen kann. Aber klar, wenn jemand Gelenkbeschwerden hat und z.B. kein schweres Bankdrücken ausführen kann, dann wäre es absolut in Ordnung, die Gewichte zu reduzieren, die Wiederholungen hochzuschrauben und dann bis nahe zum Muskelversagen zu trainieren.

 

WIK

Okay, das scheint sinnvoll.

Du hast eben das Thema Cardio Training angesprochen. Wie gehst du üblicherweise vor, wenn du diese Form von Training in die Routine eines Athleten einplanst? Gibt es beispielsweise ein oberes Limit an Cardio oder versuchst du es über einen längeren Zeitraum zu erhöhen? Welche Form von Cardio bervorzugst du?

 

Jeff

Ich gebe einem Athleten in der Diät eigentlich fast immer Cardio Training vor. Wie genau das aussieht, ist immer davon abhängig, wo derjenige zu Beginn der Diät steht. Manche Personen, wieso auch immer, lieben Cardio Training (WIK: ich meine, es hat gesundheitliche Vorteile, richtig?) und machen bereits schon viel davon. In diesen Fällen reguliere ich es eigentlich nicht nach unten. Üblicherweise (und wie gesagt ist das abhängig vom jeweiligen Individuum) starte ich mit 3 Einheiten a 30 Minuten moderatem Ausdauertraining pro Woche. Und von da an, je nachdem, wie sich die Dinge entwickeln, erhöhe ich die Dauer nach und nach. Wenn der Fettverlust nachlässt und das Kaloriendefizit größer werden muss, mache ich das entweder über mehr Ausdauertraining, weniger Nahrung oder einer Kombination aus den beiden. Welches ich davon wähle, hängt vor allem auch davon ab, wie es in den Alltag des Athleten passt und was er selbst bevorzugt.

Wenn jemand einen sehr flexiblen Lebensstil hat, kann vielleicht mehr Cardio einbauen und dafür etwas mehr essen. Wer andererseits sehr beschäftigt ist und keine Zeit für extra Trainingseinheiten hat, der muss vielleicht in den sauren Apfel beißen und mit weniger Nahrung auskommen.

Die beste Information, die ich an dieser Stelle vielleicht bereitstellen kann, ist, dass ich versuche, hochintensives Intervalltraining auf ein Minimum zu beschränken. Mehr als eine Einheit pro Woche plane ich üblicherweise nicht ein. Denn zum einen ist die Gefahr größer, Adaptionen an das Krafttraining negativ zu beeinflussen, und zum anderen bewirkt es sowieso ähnliche physiologische Effekte wie das Krafttraining selbst. Daher ist es meiner Ansicht nach eher überflüssig.

 

WIK

Also greifst du primär auf ein leichtes oder moderates Ausdauertraining zurück?

 

Jeff

Genau. Leichtes bis moderates Ausdauertraining bei einer Herzfrequenz von 120-130 oder, falls man Zugang zu einer Maschine mit Kalorienzähler hat, ein Tempo, das ca. 300 Kalorien pro 30 Minuten verbraucht.

Es ist also nicht nur ein simpler Spaziergang, sondern schon etwas fordernder. Aber eben auch nicht „all out“. Irgendwasdazwischen würde ich sagen.

 

WIK

Super! Ich denke, du hast den gesamten Trainingsbereich bis hierhin ziemlich detailliert abgedeckt.

Vielleicht kannst du uns abschließend eine kurze Zusammenfassung von dem geben, was Leute normalerweise machen sollten, damit ihre Diät ein Erfolg wird. Natürlich gibt es hier immer Ausnahmen und individuelle Unterschiede, deshalb coachst du schließlich 1 zu 1. Aber einfach ganz generell gesprochen, damit man einen groben Anhaltspunkt hat.

 

Jeff

Alles klar.

Also zu Beginn einer Diät sollte die Ernährung und das Ausdauertraining den Fettverlust steuern. Man sollte sein Krafttraining also nicht irgendwie dahingehend verändern, mehr Fett verbrennen zu wollen. Das Krafttraining sollte aussehen wie in Phasen, in denen man Muskeln aufbauen möchte. Auf diese Art und Weise erhält man Muskelmasse am besten.

Das bedeutet zum einen, dass man eine angemessene Intensität an den Tag legt und hart trainiert, aber auch, dass man genug Trainingsvolumen in seinem Plan beibehält. Zum Muskelerhalt braucht es zwar deutlich weniger Volumen, als beim Muskelaufbau – man kann das Volumen also durchaus etwas reduzieren. Aber wenn möglich, schadet es sicherlich nicht, mehr zu machen. Solange man also denselben Umfang bewältigen kann wie vor der Diät: tu es.

Wie weiß man, wann der Zeitpunkt gekommen ist, das Volumen zu senken?

Das hängt ganz von der Person ab. Manche Personen erreichen ihren gewünschten Körperfettanteil, ohne eine einzelne Sache ändern zu müssen. Andere wiederum kommen irgendwann an einen Punkt, an dem sie mit der Erholung nicht mehr hinterherkommen und sich jede Bewegung im Training nach und nach schwerer anfühlt.

Hat man dieses Stadium erreicht, würde ich zuerst einen Deload einbauen, dabei das Volumen auf die Hälfte oder 2/3 (sprich, weniger Sätze ausführen) und die RPE’s oder Prozente vom 1RM (um 10-15% oder etwas in dem Bereich) reduzieren. Fühlt man sich anschließend besser, kann man einfach vorerst so weiter machen wie vor dem Deload. Falls nicht, kann man den Umfang weiter reduzieren, ohne sich groß darum sorgen zu müssen, an Muskulatur einzubüßen.

Was man so lange wie möglich erhalten sollte, ist sein Kraftlevel. Sobald das sinkt, sollte zumindest der Grad an Anstrengung in beibehalten werden, also wie sehr man sich in einen gegebenen Satz ins Zeug legt.

Und dann gibt es noch eine andere Sache, die wir noch nicht angesprochen haben. Und zwar die Qualität des Trainings. Ich denke, viele Sportler sind in einer Diät besessen davon, das absolut bewältigte Gewicht beizubehalten und vergessen dabei, dass es auch wichtig ist, tatsächlich die Muskeln in einer Übung zu nutzen, die man auch beabsichtigt zu trainieren. Führt man beispielsweise Latzüge aus und ist nicht mehr in der Lage, dasselbe Gewicht wie zu Zeiten vor der Diät zu bewältigen, sollte man nicht einfach das Gewicht gleich lassen und anfangen, herumzuschwingen und stark abzufälschen. Das bringt dem Latissimus herzlich wenig. Es wäre also klüger, die Last etwas zu reduzieren und wirklich den Muskel zu benutzen, den man bearbeiten möchte. Nur, weil man sich schlapp und erschöpft fühlt, ist das kein Grund dafür, seine Ausführung schleifen zu lassen.

Das ist, würde ich sagen, mindestens so wichtig, wie die Intensität beizubehalten.

 

WIK

Oh ja, da hast du recht. Ich meine, das ist im Prinzip nur eine „Täuschung“ für sich selbst, dass man seine Kraft erhalten würde (was nicht der Fall ist). Man erreicht dadurch aber eigentlich nichts.

 

Jeff

Richtig. Und ich glaube die andere Sache, die ich noch erwähnen möchte, ist, dass an einen relativ langsamen Gewichtsverlust anstreben sollte, um Muskelmasse möglichst zu erhalten. Was nicht bedeutet, dass man auch schneller Diät halten kann, ohne, all seine Muskulatur zu verlieren.

Und wenn ich alles kurz zusammenfassen darf: ich denke, es gibt viele Dinge, die einfach überzogen dargestellt werden. Und eines davon ist, wie leicht man angeblich Muskeln verlieren würde. Wenn man einmal Muskeln aufgebaut hat, verliert man das nicht gleich wieder. Gerade, wenn man schon eine Weile trainiert, erhält man diese Adaptionen ziemlich gut.

Das andere ist, wie unnötig viel manche Personen an ihrem Training ändern. Die Wiederholungen werden angehoben, die Pausenzeiten gesenkt usw. (WIK: quasi das Thema der „Muskelverwirrung“). Das ist also auch etwas, das man nicht tun sollte.

 

WIK

Jeff, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen und den ganzen Aspekt der Trainingsplanug während einer Diät so ausführlich ausgelegt hast. Es war super, dich interviewen zu dürfen und ich denke, du hast uns eine Menge nützlicher Informationen geliefert.

Und natürlich hoffe ich, auch in naher Zukunft nochmal mit dir quatschen zu dürfen!

 

Jeff

Vielen Dank Simon! Es hat mir wirklich Spaß gemacht, von dir interviewt zu werden und ich freue darauf, von deinen Projekten in Zukunft zu hören!


 

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