In Episode 1 bin ich ja bereits ganz generell auf das Thema Autoregulation eingegangen, was sich dahinter verbirgt, wo Vorteile und wo vielleicht auch die ein oder anderen Nachteile liegen können. Wer es noch nicht getan hat, dem würde ich empfehlen, sich vorab den ersten Teil der Reihe anzuschauen.
Ganz kurz zusammengefasst bedeutet sein Training zu autoregulieren, das Training immer an den aktuellen Leistungsstand anzupassen – sowohl in der aktuellen Trainingseinheit als auch im Verlauf mehrerer Wochen. Ist man beispielsweise an einem bestimmten Tag gut drauf, schraubt man das Volumen, die Intensität (oder welche Parameter man auch immer autoreguliert) nach oben, ist man nicht so gut drauf, dann trainiert man weniger umfangreich, mit weniger Gewicht oder nimmt andere Anpassungen am Training vor, um die Einheit leichter zu machen.
Nach der vielen „Theorie“ vom letzten mal, soll es heute speziell um eine Form von Autoregulation und deren praktischen Einsatz im Training gehen: APRE.
APRE steht für „Autoregulatory Progressive Resistance Exercise“ und ist eine Möglichkeit, um sein Training zu autoregulieren (1). Dabei ist das Konzept nicht wirklich neuartig – APRE wurde bereits in „Supertraining“ von Mel Siff aufgegriffen und ist eine Erweiterung von Dr. K.L. Knight’s entwickelten „DAPRE“ (Daily Autoregulatory…), welches wiederum auf DeLorme’s „PRE“ (Progressive…) aus den 50er Jahren basiert (2-4).
Beim APRE-System stehen insgesamt drei Protokolle zur Auswahl : ein 3RM-, 6RM- und 10RM-Protokoll. Der Ablauf ist, unabhängig vom gewählten Protokoll, immer derselbe. Über die ersten beiden Sätze, die als Vorbereitung dienen, arbeitet man sich bis zu einem 3RM, 6RM oder 10RM im dritten Satz hoch. Je nachdem, wie viele Wiederholungen man in Satz drei absolvieren konnte, wird entweder mehr Gewicht aufgelegt oder von der Hantel genommen, um noch einen weiteren, vierten Satz im Anschluss durchzuführen (Tab. 1).
Hat man auch diesen vierten Satz absolviert, wird anhand der dort erbrachten Leistung darüber entschieden, welche Last im nächsten Training verwendet wird. Ob das Gewicht für die kommende Einheit steigt oder sinkt und falls ja, um wie viel Kilogramm, gibt Tabelle 2 an.
Da das so auf Papier vielleicht alles etwas wirr klingt, ist es wohl das Einfachste, das gesamte Vorgehen an einem Beispiel zu verdeutlichen.
Schritt 1: Ermittlung des richtigen Gewichts
Sagen wir, wir entscheiden uns für das 6RM-Protokoll für unser Kniebeugetraining. Als allererstes müssen wir wissen, wo denn eigentlich unser 6 Wiederholungs-Maximum (=das Gewicht, mit dem wir maximal 6 Wiederholungen absolvieren können) liegt.
Im Optimalfall haben wir vielleicht gerade erst vor zwei Wochen einen schweren Satz mit 5 oder 6 Wiederholungen durchgeführt und haben somit einen Erfahrungswert, der uns in etwa angibt, welches Gewicht für 6 Wiederholungen angebracht sind.
Es ist aber gut möglich, dass wir uns schon lange nicht mehr in einem ähnlichen Wiederholungsbereich aufgehalten und dementsprechend keine Ahnung haben, wie viel Gewicht wir wohl bewegen könnten. In einem solchen Fall kann ein ungefähres 6RM auch von einem 1RM abgeleitet werden. Besitzen wir Kenntnis über unser aktuelles 1RM, können wir beispielsweise diese oder diese Tabelle heranziehen und ablesen, mit wie viel % des 1RM ungefähr 6 Wiederholungen möglich sein sollten (in diesem Fall ca. 82-84%). Liegt unser 1RM beispielsweise bei 140kg, sollten 115-117,5kg einen ganz guten anfänglichen Richtwert darstellen.
Haben wir weder unser aktuelles 6RM noch unser 1RM parat, können wir schließlich auch einen harten Satz (bis oder nahe zum Muskelversagen) außerhalb dieser Wiederholungsbereiche heranziehen (z.B. einen Satz mit 8 Wdh. bis zum Muskelversagen), damit ein ungefähres 1RM bestimmen (klick) und dann erneut die oberen Tabellen nutzen, um den entsprechenden Prozentwert abzulesen.
Der Einfachheit halber nehmen wir für das folgende Beispiel an, wir hätten erst vor zwei Wochen 150kg 1x gebeugt, sodass unser geschätztes 6RM also irgendwo bei ~123-126kg (ca. 82-84% von 150kg) liegt . Um auf der sicheren Seite zu sein, entscheiden wir uns für 122,5kg als unser geplantes Arbeitsgewicht für den dritten Satz.
Schritt 2: Die Vorbereitungssätze
Im ersten Satz nehmen wir jetzt 50% von 122,5kg, also in etwa 60kg, und führen damit 10 Wiederholungen aus. Für den zweiten Satz beladen wir die Hantel mit ~92,5kg (75% von 122,5kg) und machen damit weitere 6 Wiederholungen.
Schritt 3: Die Arbeitssätze
Nach den Vorbereitungs- stehen die eigentlichen Arbeitssätze an. Im dritten Satz heißt es nun, so viele Wiederholungen mit 122,5kg auszuführen wie möglich. Da wir den Tag zuvor gut gegessen und 9 Stunden geschlafen haben, läuft das Training super und wir sind in der Lage, 10 Wiederholungen statt der geplanten 6 zu absolvieren.
Nun ziehen wir Tabelle 2 heran, schauen in die dritte Spalte („6RM routine“) und sehen, dass wir bei 8-12 geschafften Wiederholungen in Satz drei das Gewicht für den vierten Satz um 5-10lbs (=~2,5-5kg) erhöhen sollen. Weil wir uns gut fühlen und sicher sind, noch 5kg mehr bewegen zu können, erhöhen wir das Gewicht für Satz vier auf 127,5kg.
Auch in diesem letzten Satz läuft es spitze und wir können 127,5kg 8x bewältigen.
Schritt 4: Die nächste Einheit
Wieder nehmen wir Tabelle 2, Spalte 3 zur Hand. Mit 127,5kg x 8 aus dem vierten Satz fallen wir erneut, wenn auch gerade noch so, in die Kategorie „8-12“. Das heißt, für das nächste Training steigt unser geschätztes 6RM um 5-10lbs (2,5-5kg) an. Da wir mit 8 Wiederholungen am unteren Ende der Spanne liegen, erhöhen wir unser 6RM lediglich um 2,5kg und damit auf 130kg.
Im nächsten Training basieren wir das Gewicht für unsere Vorbereitungssätze nun auf 130kg, führen im dritten Satz einen Satz bis zum Muskelversagen mit 130kg aus und schauen dann wieder, welches Gewicht wir für Satz vier und folglich für das nächste Training verwenden.
So wiederholt sich das Spiel immer und immer wieder.
Natürlich wird das Training nicht immer so erfolgreich ablaufen. Es wird sogar definitiv mäßige und schlechte Trainingstage geben. Eine einzelne schlechte Einheit ist aber kein Beinbruch, denn viel entscheidender ist, was im Laufe mehrerer Wochen passiert.
Um dieses Szenario aber trotzdem einmal durchzuspielen….was tun, wenn man einen schlechten Tag hat und weniger als die geplanten Wiederholungen im dritten Arbeitssatz schafft?
Dann ziehen wir wieder Tabelle 2, Spalte 3 heran und reduzieren das Gewicht für den vierten Satz. Würden wir in Satz drei beispielsweise nur 4 statt der geplanten 6 Wiederholungen mit 122,5kg schaffen, gibt Tabelle 2 an, dass wir die Last in Satz vier um 0-5lbs (0-2,5kg) reduzieren sollen. Könnten wir hier schließlich 120kg 5x beugen, fielen wir damit in die Kategore „5-7“ und würden unser 6RM für die nächste Einheit unverändert lassen.
APRE verschafft im Wesentlichen genau die Vorteile, die ich bereits in Episode 1 aufgegriffen habe: das Volumen und die Intensität werden sowohl am jeweiligen Trainingstag als auch in den darauffolgenden Einheiten an die Leistung des Sportlers angepasst, was dem Athleten nicht nur physisch, sondern auch psychisch sehr zugutekommen kann. Der dritte Satz entscheidet darüber, welche Gewichte im heutigen Training verwendet werden und der vierte Satz entscheidet darüber, wie das Gewicht in der nächsten Einheit ausfallen wird. Auf diese Art und Weise können nicht nur akute Leistungsschwankungen berücksichtigt werden, auch wird jedem Sportler eine individuelle Rate eingeräumt, mit der er die Gewichte im Laufe der Zeit erhöhen kann.
Simpel ausgedrückt passiert bei APRE das:
Auch mit dem Blick in die Wissenschaft scheint APRE eine valide Methode zur Steigerung der Kraftleistung zu sein. Mann et al. (2010) haben in einer Studie mit 23 College Football-Spielern herausgefunden, dass APRE für signifikant höhere Kraftzuwächse im Bankdrücken und in der Kniebeuge sorgen konnte als ein klassisches, linear aufgebautes Training (5). Natürlich gibt es auch Einschränkungen in dieser Studie, wie z.B., dass das Volumen zwischen den Gruppen nicht angeglichen wurde (das war schlichtweg kaum realisierbar, da die Probanden der APRE-Gruppe in jeder Einheit unterschiedlich viele Wiederholungen und Gewichte bewältigt haben – je nachdem, ob sie einen guten oder weniger guten Tag hatten). Das könnte also durchaus einen Einfluss auf die deutlichen Unterschiede in den Kraftzuwächsen gehabt haben.
Ob APRE nun wirklich vorteilhafter für den Kraftaufbau ist als ein linear periodisiertes Training, lässt sich derzeit wohl nicht mit aller Sicherheit sagen. Während es dazu weiterer Untersuchungen bedarf, so scheint APRE nach aktuellem Kenntnisstand aber zumindest eine effektive Methode zu sein, um sein Training zu planen.
Und um das Ganze schließlich von einer sehr praktischen Seite her zu betrachten, besteht eine große Stärke von APRE meiner Ansicht nach in der sehr leichten Umsetzbarkeit. Gerade für diejenigen, die mit autoreguliertem Training bislang wenig am Hut hatten, bietet APRE mit seinen klaren Vorgaben zu Gewichtsanpassungen ein gutes Maß zwischen „Flexibilität“ und „Struktur“ und stellt sicher, dass das Prinzip progressiver Belastungssteigerung stets im Training beinhaltet ist (bei manchen scheint das bei zu viel Gestaltungsspielraum unterzugehen). APRE ermöglicht also einen sehr gute Einstieg in ein autoreguliertes Training.
So wie ich das sehe, gibt es bezüglich APRE meist drei primäre Kritikpunkte: die Gewichtsanpassungen, die Eignung für Isolationsübungen und der Einsatz von Muskelversagen.
Die Gewichtsanpassungen
Kritisiert wird zum Teil, dass die Gewichte für das kommende Training sofort nach oben bzw. unten reguliert werden, sollte ein Sportler an einem Tag nicht die erwartete Leistung bringen. Das APRE-System trifft hier die Annahme, dass der Sportler generell nicht erholt oder insgesamt nicht genügend ausgelastet sei. Es ist aber tatsächlich möglich, dass ein Athlet einfach nur einen schlechten Tag innerhalb eines aber sonst sehr gut laufenden Trainings erfährt. Weil man heute schlecht drauf ist, heißt das nicht, dass das auch im nächsten Training der Fall sein muss. Ist es also wirklich nötig, die Gewichte für zukünftige Einheiten, basierend auf einer einzelnen Ausnahmeleistung, sofort zu ändern?
Das ist vermutlich ein Punkt, über den man sich nicht großartig sorgen muss. Denn erwischt man wirklich mal einen sehr schlechten Tag, reduziert die Gewichte für die nächste Einheit gemäß Tabelle 2 und ist im nächsten Training eigentlich wieder super drauf, dann ist es lediglich der dritte Satz, in dem man etwas weiter aus dem geplanten Wiederholungsbereich fällt (bspw. werden aus geplanten 6 Wiederholungen 10 oder 12) Die Gewichte werden im vierten Satz auch schon direkt wieder nach oben reguliert und auch die Lasten für das nächste Training passen sich an.
Für den Muskelaufbau ist das nicht problematisch, da es hier sowieso keinen „besten Wiederholungsbereich“ gibt, solange hart und (nahe) bis zum Muskelversagen trainiert wird. Ob man nun 2 Wiederholungen mehr oder weniger absolivert…who cares.
Die eine Ausnahme, die ich hier nicht unerwähnt lassen möchte, könnte ein Wettkampfathlet in der Vorbereitung sein, der ein klares Wettkampfdatum vor Augen hat und den Umgang mit schweren Gewichten trainieren muss. Hier auf Grund starker Leistungsschwankungen in einer einzelnen Einheit im nächsten Training plötzlich in Wiederholungsbereichen von 6-8 zu landen und damit in deutlich geringere Intensitätsbereiche zu rutschen, könnte durchaus von Nachteil sein.
Und zu guter Letzt: wie oft hat man solche Ausnahmetage wirklich? Wer sein Training halbwegs vernünftig plant und auch sonst versucht, einen einigermaßen trainingsfreundlichen Lebensstil zu hegen, der sollte überwiegend „ordentliche“ bis „gute“ Tage haben. Einzelne sehr gute und sehr schlechte Einheiten können im Verlauf zwar immer wieder mal für stärkere Schwankungen in den Gewichtsanpassungen und den absolvierten Wiederholungen führen, insgesamt pendelt sich das Ganze erfahrungsgemäß jedoch von selbst ein.
Isolationsübungen
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Gewichtsanpassungen nach Tabelle 2 für Isolationsübungen und für solche Übungen, die sich nur schwer steigern lassen, ungeeignet sind.
Das Schulterdrücken wäre da so ein Beispiel. 2,5kg mehr auf die Hantel zu packen ist beim Kreuzheben kein riesen Sprung, beim Schulterdrücken hingegen kann das einen Unterschied von 2, 3 oder 4 Wiederholungen ausmachen.
Das Gute ist, dieses Problem lässt sich relativ einfach lösen. Und wie mir mitgeteilt wurde, haben sich schlaue Menschen wie Frank Taeger bereits darum gekümmert (6). Gut für mich, weil ich dann keine solche Tabelle mehr erstellen muss :).
Muskelversagen
Da sich mittlerweile eine regelrechte Angst vor dem Training bis zum Muskelversagen entwickelt hat, wird logischerweise auch APRE von dieser (meiner Meinung nach etwas extremen) Ansicht nicht verschont. Denn das Originalprotokoll sieht vor, im dritten und vierten Satz so viele Wiederholungen wie möglich zu absolvieren.
Ja, dauerhaftes trainieren bis zum Versagen ist nicht notwendig und vermutlich sogar suboptimal. APRE kann aber auch ohne Weiteres ohne den Einsatz von dauerhaftem Muskelversagen zum Einsatz kommen oder auf ein paar Übungen begrenzt werden.
Lässt man in den beiden Arbeitssätzen ein oder zwei Wiederholungen „im Tank“, ändern sich die Protokolle nicht. Gerade für Übungen wie Kreuzheben oder Kniebeugen kann es sogar ratsam sein, nicht immer bis an das absolute Limit zu gehen, um die sich ansammelnde Erschöpfung einzugrenzen und eine gute Technik zu gewährleisten. Wird APRE auch für Isolationsübungen am Ende des Trainings eingesetzt, dann sind ein oder zwei Sätze bis zum Muskelversagen in der Regel ziemlich unbedenklich.
Wie sich der ein oder andere Leser vielleicht bereits denken kann, gibt es unzählige Wege, um APRE ins Training zu implementieren. Ich gebe daher im Folgenden einfach nur einige Anregungen, was man tun könnte. Wie das Training am Ende genau aussieht, ist immer individuell.
Die Übungswahl
Was die Übungsauswahl betrifft, so bieten sich die drei APRE-Protokolle besonders für Mehrgelenksübungen wie Bankdrücken, Kniebeugen, Kreuzheben und Co. an. Für Isolationsübungen hingegen ist das APRE3-Protokoll eher ungeeignet (mal ehrlich, wer macht drei Wiederholungen beim Seitheben oder Trizepsstrecken?), hier ist man also mit der 6er und 10er Variante besser beraten. Auch ist es bei Letzteren und bei solchen Übungen, die sich nur schwer steigern lassen, besser, die obige, modifizierte Tabelle 3 zu verwenden, um die richtigen Gewichtsanpassungen treffen zu können. Mit der Originaltabelle sind die Gewichtssprünge teilweise schlichtweg zu groß.
Auch ist es ratsam, nicht alle Übungen an einem Trainingstag in Form von APRE zu gestalten. Da APRE das Training bis zum Muskelversagen vorsieht, kann das im Rahmen einer gesamten Einheit schnell zu viel des Guten werden. Üblicherweise ist eine gute Strategie, die ersten ein oder zwei großen Übungen des Tages im APRE-Stil auszuführen und für die restlichen Übungen ein klassisches Satz/Wiederholung-Schema einzusetzen.
Wer APRE dennoch für jede einzelne Übung verwenden möchte, der liegt gut daran, das trainieren bis ans Limit nur auf ein paar Übungen zu begrenzen. Beispielsweise könnten an einem Oberkörpertag Bankdrücken und Langhantel-Rudern dem APRE-Protokoll wie vorgegeben folgen, während bei Klimmzügen, Kurzhantel-Schulterdrücken und Bizepscurls 1 oder 2 Wiederholungen vor Muskelversagen gestoppt wird (oder vice versa).
APRE und Periodisierung
APRE lässt sich durch die drei unterschiedlichen Protokolle wunderbar in eine lineare Periodisierung einbetten. Man beginnt mit dem APRE10-Protokoll, verbringt dort einige Wochen, wechselt dann zum APRE6 und wechselt nach nochmals einigen Wochen weiter zum APRE3. Anschließend beginnt der Zyklus von vorne.
Je nach Zielsetzung ist es auch möglich, nur von zwei Protokollen Gebrauch zu machen. Wer beispielsweise vor allem am Muskelaufbau interessiert ist und dementsprechend ein relativ hohes Volumen benötigt, der kann den Großteil seiner Zeit mit den APRE10 und APRE6-Protokollen verbringen und nur sporadisch auf APRE3 zurückgreifen.
Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, APRE in ein DUP-Schema zu integrieren. Führt man z.B. Bankdrücken zwei mal wöchentlich aus, mit dem Ziel, Muskelmasse auf den Oberkörper zu packen, könnte Montag das APRE10- und Freitag das APRE6-Protokoll ausgeführt werden. Von Woche zu Woche kann man dann versuchen, die Gewichte nach und nach zu erhöhen.
APRE und zusätzliches Volumen
Für manche Fortgeschrittene wird das Volumen der APRE Protokolle nicht ausreichen. In solchen Fällen bietet es sich an, Backoff-Sätze zu integrieren. Damit die auch in das Gesamtbild des autoregulierten APRE-Systems passen, können sie z.B. als Prozentwert von Satz 4 abgeleitet werden.
Sagen wir, wir haben einen schlechten Tag, schaffen im dritten Satz bloß 4 statt der geplanten 6 Wiederholungen und reduzieren das Gewicht für Satz 4 gemäß Tabelle 2 um 0-5lbs (0-2,5kg). Hier können wir dann nochmal 5 Wiederholungen bewältigen.
Da wir im Anschluss trotzdem noch etwas mehr Volumen generieren wollen, nehmen wir jetzt beispielsweise 80-85% des Gewichts aus Satz 4 und führen 2-3 weitere Sätze mit je 5-6 Wiederholungen aus (=Backoff-Sätze). So passt sich das Gewicht der Backoff-Sätze immer an unsere vorher erbrachte Leistung an. Hätten wir einen guten Tag gehabt, dann wäre die ermittelte Last für die Backoff-Sätze dementsprechend höher gewesen, da wir in Satz 4 mehr Gewicht bewältigen konnten.
Der richtige Einstieg
Auch ist es eine gute Idee, anfangs nicht direkt mit seinem wahren Wiederholungsmaximum, sondern nur mit 90-95% dieses Gewichts zu starten. Wenn sich ein Athlet also zum Beispiel für das APRE10 Protokoll entscheidet und ein Arbeitsgewicht von 120kg ermittelt, ist es ratsam, für die erste Einheit erstmal ~110-115kg einzuplanen. Dadurch ist er ganz einfach auf der sicheren Seite, kann Schätzfehler im Gewicht abfangen und lässt gleichzeitig etwas Raum für Steigerungen in den kommenden Wochen.
Hier ist ein sehr simples Beispiel dafür, wie ein Training aussehen könnte, das von APRE Gebrauch macht. Bitte bedenkt dabei, dass es sich hier nur um eine einzelne Trainingswoche handelt, die lediglich einen möglichen Aufbau zeigen soll. Wie das Training im Einzelnen aussieht und wie es sich von Woche zu Woche entwickelt, ist abhängig vom Leistungsstand des Sportlers.
Dieser Oberkörper/Unterkörper Plan wäre für einen (frühen) Fortgeschrittenen geeignet, der primär am Aufbau von Muskelmasse interessiert ist.
Die beiden Protokolle APRE10 und APRE6 werden eingesetzt, um für genügend Volumen zu sorgen und führen gleichzeitig dazu, dass das Trainings eine DUP-Struktur bekommt. Wie man sieht, werden in diesem Falle nicht alle, sondern lediglich die ersten ein bis zwei Übungen des Tages nach APRE ausgeführt, um den Sportler nicht zu überlasten.
Von Woche zu Woche würde der Athlet nun versuchen, die Gewichte in den Übungen zu erhöhen, um nach 3-6 Wochen hartem Training einen Deload einzuschieben. Logischerweise wird das nicht ewig funktionieren, da die Rate, mit der der Sportler Gewicht auf die Hantel packen kann, mit zunehmendem Leistungslevel sinkt.
Daher könnte derjenige zu gegebenem Zeitpunkt für einige Wochen auf ein APRE6/APRE3 Schema umsteigen und bei den Übungen, die nicht nach APRE geplant werden, ein zusätzliches, lineares Element integrieren (das Volumen sinkt im Laufe der Wochen, während die Intensität steigt – z.B. 3×8 in Woche 1, 3×7 in Woche 2 und 3×6 in Woche 3, Woche 4 ist ein Deload), um andauernden Fortschritt zu gewährleisten.
Ich hoffe, ich konnte euch neben dem theoretischen Wissen hiermit auch eine halbwegs praktische Anleitung an die Hand geben, mit der ihr ausreichend ausgestattet seid, um APRE in euer eigenes Training integrieren zu können. Probiert es aus, beachtet die wesentlichen Aspekte (niedrig einsteigen, nicht überall einsetzen etc) und ihr solltet gute Erfolge erzielen können!
1 Mann, JB. (2011): The APRE. The Scientifically Proven Fastest Way to Get Strong. Ebook.
2 Siff, MC. (2003): Supertraining. 5th Edition. Denver, Colorado.
3 Delorme TL., West FE., Schriber WJ. (1950): Influence of progressive resistance exercises on knee function following femoral fractures. Journal of Bone and Joint Surgery. Volume 32(4):910–24.
URL: http://jbjs.org/content/32/4/910 (Letzter Zugriff: 04.10.2016)
4 Knight, KL, (1979): Knee rehabilitation by the daily adjustable progressive resistive exercise technique. American Journal of Sports Medicine. Volume 7(6):336–37.
URL: http://ajs.sagepub.com/content/7/6/336.extract (Letzter Zugriff: 04.10.2016)
5 Mann, JB., Thyfault, JP., Ivey, PA., Sayers, SP. (2010): The Effect of Autoregulatory Progressive Resistance Exercise Training vs. Linear Periodization on Strength Improvement in College Athletes. In: Journal of Strength and Conditioning Research. Volume 24(7):1718-23.
URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20543732 (Letzter Zugriff: 04.10.2016)
6 Taeger, F. (2015): Stärker, breiter, schneller. Ebook.
8 Comments to "Autoreguliertes Training #2 – APRE"
mr.fakir says:
25. Januar 2017 at 13:55 -
Eine Frage zu der Gewichtssteigerung, da es auf anderen Seiten teils etwas anders oder nicht genau beschrieben wird.
Beispiel: Mein 6RM liegt bei 100kg.
Im 3. Satz mache ich also Wiederholungen bis zum Versagen mit 100kg und schaffe bspw. 8 Wdh. Nach der Tabelle steigere ich mein Gewicht für den 4. Satz um 2,5kg.
Ich mache also den 4. Satz mit 102,5kg wieder bis zum Versagen und schaffe erneut 8 Wdh. Nach der selben Tabelle muss das Gewicht für das nächste Training um 2,5kg gesteigert werden.
Ist meine Basis dafür denn nun der 3. oder der 4. Satz??? Also muss ich die 2,5kg auf den „Tageswert“ von 100kg addieren oder auf die bereits gesteigerten 102,5kg? Hier liest es sich so als wäre der erste Wert ausschlaggebend, für das nächste Training wäre mein 6RM also 102,5kg (und nicht 105kg). Ist das richtig?
Simon says:
25. Januar 2017 at 14:16 -
Sehr gute Frage!
Und tatsächlich ist deine Basis immer der 4. Satz. Dein neues 6RM für nächste Woche läge also bei 105kg.
Um es an deinem Beispiel zu verdeutlichen:
Training Woche 1 (6RM = 100kg)
1. Satz: 50kg x 10 (50% deines 6RM)
2. Satz: 75kg x 6 (75% deines 6RM)
3. Satz: 100kg x 8 (steigern um 2,5kg für den 4. Satz)
4. Satz: 102,5 x 8 (steigern um 2,5kg für das nächste Training)
Training Woche 2 (neues 6RM = 105kg)
1. Satz: 52,5kg x 10 (50% deines neuen 6RM)
2. Satz: ~77,5kg x 6 (75% deines neuen 6RM)
3. Satz: 105kg x ?? (steigern/erhöhen für den 4. Satz nach der Tabelle)
4. Satz: ?? (steigern/erhöhen für das nächste Training nach der Tabelle)
mr.fakir says:
25. Januar 2017 at 21:59 -
Danke für die schnelle Antwort! Dann habe ich es falsch verstanden bzw. ist im Text dann nicht ein Fehler?
Dort wird mit 122,5kg gestartet. Weil im 3. Satz 10 Wdh. geschafft werden wird das Gewicht um 5kg auf 127,5kg erhöht – soweit so gut.
In Schritt 4 bzw. Satz 4 werden 8 Whd. geschafft, somit soll das Gewicht für die nächste Einheit um weitere 2,5kg gesteigert werden. Für mich sind das (basierend auf deiner Antwort) insgesamt 130kg. Im Text werden aber 125kg angegeben!?
Simon says:
25. Januar 2017 at 22:05 -
Du hast absolut recht, da ist mir ein Schreibfehler unterlaufen! Das sollten natürlich 130kg sein. Danke für den Hinweis, ist ausgebessert!
Atlas says:
19. Juni 2017 at 14:24 -
Ich trainiere schon länger mal mit dem APRE system und hatte bisher auch die besten erfolge damit, jedoch wollte ich es gern in einen GK plan integrieren, meinst du das wäre machbar?
Kraftwerte sind mittlere Advanced/Elite werte
Simon says:
19. Juni 2017 at 14:28 -
Absolut! Wenn du dein Training insgesamt vernünftig aufbaust, sehe ich keinen Grund, der gegen ein Einbauen von APRE in einen GK sprechen würde.
Kuti says:
17. März 2018 at 12:52 -
Ich mache zweimal die Woche einen GK Plan mit A & B Einheiten. Nebenbei mache ich zweimal die Woche Kampfsport. Ich möchte mein Training nach dem DUP Schema periodisieren. Ist es sinnvoll die einzelnen Protokolle jede Woche abbzuwechseln?
Zum Beispiel: Montag: Einheit A mit 10er, Freitag Einheit mit 10er, nächsten Montag: Einheit A mit 6er, Freitag Einheit mit 6er und dann wieder die 10er Woche usw.
Mein primäres Ziel íst Muskelaufbau, daher vorerst kein 3er Protokoll.
Was hälst du davon?
Würde mich über deine Antwort freuen
Simon says:
13. Mai 2018 at 12:52 -
Das kann man schon so machen, wäre dann aber keine undulierende Periodisierung innerhalb einer Woche. Das wäre es nur, wenn du in jeder Woche 10er und 6er Wdh. abwechselst. Ob es funktioniert, hängt vom gesamten Programm ab und kann ich so leider nicht beantworten.