Das Ziel von Training ist eigentlich sehr simpel. Der Körper wird einem bestimmten „Stress“ ausgesetzt, der ihn aus dem Gleichgewicht (Homöostase) bringen soll. In Folge dessen passt er sich an diesen Stress an, um für ähnliche Beanspruchungen in Zukunft besser gerüstet zu sein. Der einzige Unterschied besteht darin, dass dieser Stress unterschiedlich aussieht, je nachdem, was am Ende dabei rauskommen soll. Ein Marathonläufer muss sich einer anderen Belastung aussetzen als ein Sprinter, um die gewünschte Leistung in seiner Sportart zu verbessern. Im Kraftsport werden dementsprechend solche Methoden angewandt, die zu mehr Muskeln und Kraft führen. Es wird also ziemlich schnell klar, wie wichtig eine sinnvolle und auf das jeweilige Individuum abgestimmte Trainingsgestaltung ist, steht die Leistungsmaximierung im Vordergrund.
Allerdings sieht diese Planung, so auch im Kraftsport, bei Trainierenden unterschiedlichen Leistungslevels ganz verschieden aus. Ein Weltklasse Bodybuilder oder Kraftdreikämpfer muss sein Training völlig anders gestalten, als jemand, der seit 3 Monaten im Fitnessstudio angemeldet ist.
Problematisch wird es, wenn Neueinsteiger das Training weit fortgeschrittener Sportler übernehmen, sich stundenlang mit komplexen Periodisierungsschemen und Detailfragen aufhalten, obwohl all das noch wenig Relevanz für ihr eigenes Training besitzt. Im Anfängerstadium funktioniert erstmal fast alles, nur manches funktioniert eben besser.
Hinzu kommt, dass viele „Ratschläge“ zur Trainingsplanung oft ohne jeglichen Kontext getroffen werden: „von dieser Übung machst du 3 Sätze mit je 8 Wiederholungen“. Zwar kann man dieser praktischen Anleitung folgen, bleibt gleichzeitig aber auch im Dunkeln stehen, sobald die Fortschritte im Training ausbleiben. Meist folgt ein Wechsel zu einem neuen, willkürlich gewählten Trainigsplan, der Zyklus beginnt von vorne und am Ende ist man kein Stück voran gekommen.
Logischerweise folgt die Frage:
Wie mache ich jetzt weiter?
Es würde zwar den Rahmen eines Artikels sprengen, umfassend auf alle Bereiche der Trainingsplanung einzugehen, ich möchte aber versuchen, zumindest ein paar grundlegende Aspekte etwas klarer zu machen. Im Speziellen soll es hier um die Unterschiede zwischen Anfängern und Fortgeschrittenen gehen und wie sich das Training vom einen in das andere Stadium weiterentwickeln sollte. Ja, ein passendes Programm zu schreiben kann äußerst komplex werden, aber gerade zu Beginn bleibt es doch relativ simpel.
Wie immer gilt: keine Lust auf viel Theorie? Dann spring‘ einfach direkt zum praktischen Beispiel am Ende!
Um das Training dem Level gerecht organisieren zu können, muss man wissen, auf welchem Niveau sich eine Person überhaupt befindet. Im Krafttraining eine Klassifizierung in verschiedene Leistungslevel zu treffen ist dabei gar nicht so einfach wie es scheint. Es gibt keine klare Grenze zwischen den Kategorien (es ist mehr eine Art Kontinuum mit fließenden Übergängen), aber zumindest eine grobe Einordnung ist möglich. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten.
Werden beispielsweise die aktuellen Kraftwerte eines Sportlers zur Klassifizierung herangezogen, dann bleibt dabei immer unberücksichtigt, wo derjenige begonnen und welches genetisches Potential er hat. Ist ein Sportler, der 70kg drückt, immer ein Beginner? In sehr vielen Fällen vermutlich schon, aber manchmal eben auch nicht. Wenn diese Person anfangs nur 20kg bewältigen, sich in 2 Jahren mit einem sinnvollen Programm allerdings um 50kg steigern konnte, wäre sie kein Anfänger mehr. Dasselbe gilt für den umgekehrten Fall. Es gibt Sportler, die stellen bei ihrem ersten Besuch im Fitness-Studio Leistungen auf die Beine, für die andere viele Jahre hart und smart trainieren müssen. Hier würde man sofort in die Falle tappen und eine solche Person in die Kategorie eines Fortgeschrittenen stecken. Faktisch gesehen ist sie aber ein Beginner, da sie schließlich gerade erst mit dem Krafttraining begonnen hat.
Eine andere Möglichkeit, die verbrachten Jahre im Kraftsport zu betrachten. Beispielsweise könnte man alle, die unter einem Jahr trainieren, den Anfängern und ab einem Jahr und mehr zu den Fortgeschrittenen zuordnen. Das Problem hierbei: es ist durchaus möglich, mehrere Jahre vollkommen unproduktiv zu trainieren. Mal ehrlich, wer kennt nicht diejenigen, die im Studio seit jeher dasselbe Training durchziehen und sich seit Jahren nicht weiterentwickelt haben? Sind sie wirklich schon an ihr genetisches Limit gestoßen? Vermutlich eher nicht.
Ein besserer Ansatz ist der von Rippetoe & Kilgore. In „Practical Programming“ treffen die Autoren die Klassifizierung anhand von zwei Faktoren: der Rate, mit der sich ein Sportler steigern kann und den Zeitraum den es benötigt, um sich vom Training zu erholen (1).
Das Charakteristische für Anfänger ist, dass sie sich sehr schnell, üblicherweise von Trainingseinheit zu Trainingseinheit, verbessern können. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn ein Sportler beispielsweise in der Kniebeuge montags 60kg und am Freitag schon 65kg zu bewältigen in der Lage ist.
Diese rapiden Kraftzuwächse zu Beginn, die den Zuwachs an Muskelmasse vorerst deutlich übersteigen, sind wahrscheinlich auf neuronale Anpassungen zurückführen, wie einer verbesserten inter- und intramuskulären Koordination (2-8). Kraft in einer bestimmten Übung und in bestimmten Intensitätsbereichen (% des 1RM) aufzubringen scheint außerdem eine spezifische Fähigkeit zu sein (2,9). Das heißt, übt ein Beginner z.B. den Bewegungsablauf beim Bankdrücken, wird die Technik immer effizienter und er kann in Folge mehr Gewicht bewältigen.
Gleichzeitig können sich Trainierende in diesem Stadium ziemlich schnell von einer Trainingseinheit erholen (1,8,10). Zum einen braucht es nicht viel Volumen, damit sich ein Beginner verbessert. Die Belastung des Krafttraining ist derart neu und das genetische Limit noch so weit entfernt, dass bereits der Stress einer einzelnen, kurzen Trainingseinheit ausreicht, um eine positive Leistungsanpassung zu bewirken. Zum anderen sind die bewältigten Gewichte üblicherweise noch sehr gering, sodass der Zeitraum für die Erholung nicht sonderlich lang ist (24-72 Std.) (1).
Deshalb ist z.B. Starting Strength ein so beliebtes und effektives Anfängerprogramm. Das Trainingsvolumen ist sehr gering, weil es eben noch keiner großen Belastung bedarf, um besser zu werden. Die Trainingsfrequenz ist relativ hoch, d.h. wenige Grundübungen werden mehrmals pro Woche ausgeführt, wodurch die Technik zügig erlernt wird. Die Trainingstage innerhalb einer Woche unterscheiden sich kaum hinsichtlich der eingesetzten Übungen, Satz- und Wiederholungszahlen, das Training ist insgesamt also sehr simpel und der Fokus kann ganz auf das allmähliche Steigern der Gewichte gelegt werden. Beispielsweise wird die Kniebeuge 3x pro Woche, immer mit 3 Sätzen je 5 Wiederholungen ausgeführt und jede Einheit versucht, das Gewicht um 1-5kg zu erhöhen.
Damit wird von dieser Möglichkeit, sich derart schnell zu steigern, Gebrauch gemacht und der Trainierende bewegt sich zügig auf das Level eines Fortgeschritten zu. Am Ende dieser Phase haben die Sportler normalerweise eine solide Technik und bereits eine gewisse „Basiskraft“ erreicht.
Bevor es zu den Unterschieden geht, hat eine Gemeinsamkeit, die unabhängig vom Leistungsstand eines Trainierenden gleichermaßen gilt, eine eigene Überschrift verdient: das Prinzip von „Progressive Overload“.
Dieses Prinzip besagt nichts anderes, als dass die Trainingsbelastung im Laufe der Zeit zunehmen muss, um weiter Fortschritte machen zu können. Vereinfacht ausgedrückt: man muss nach und nach immer mehr machen (11). Für einen gesunden Sportler mit guter Technik kann das bedeuten, mit der Zeit immer höhere Gewichte und höhere Trainingsumfänge zu bewältigen. Für jemanden mit starken Beweglichkeitsproblemen in bestimmten Übungen kann das vorerst heißen, stückweise eine immer größere ROM (Range of Motion = Bewegungsumfang) zu erlangen und sich erst dann auf das Steigern von Gewichten und des Trainingsvolumen zu konzentrieren.
Progressive Overload kann also auf vielen Wegen stattfinden, aber wer besser werden will, der kommt um dieses Prinzip nicht herum!
Je fortgeschrittener ein Athlet wird, desto näher kommt er seinem genetischen Limit und umso langsamer stellen sich weitere Verbesserungen ein (1,3). Für immer größere Anstrengungen kommen immer kleinere Zuwächse an Kraft und Muskelmasse.
Ein Fortgeschrittener benötigt mittlerweile einen größeren Reiz für weitere, positive Adaptionen und gleichzeitig längere Erholungszeiten von einer einzelnen Trainingsbelastung.
Zusätzlich nimmt die Rate, mit der er mehr Gewicht auf die Hantel legen kann, ab. Er ist schlichtweg nicht mehr dazu in der Lage, von Training zu Training die Last zu erhöhen. Progressive Overload kann also nicht mehr, wie beim Beginner, über das kontinuierliche Steigern des Gewichts erfolgen, sondern muss auf andere Art und Weise umgesetzt werden (dazu gleich mehr).
Deshalb muss sich das Training im Laufe der Karriere weiterentwickeln, damit ein Trainierender nicht auf seinem derzeitigen Leistungsstand stehen bleibt. Es kann nicht ewig mit einem Anfängerprogramm trainiert werden (daher liegt in diesem Wort auch der Zusatz „Anfänger“…). Die Organisation des Trainings wird komplexer und langfristiger, ein längerer Zeitraum wird im Voraus geplant und einzelne Einheiten bauen aufeinander auf, um zum gewünschten Resultat zu führen.
Im folgenden Schaubild wird das deutlich:
Okay, es gibt also Unterschiede zwischen den Athleten beiden Levels und deren Trainingsplanung. Irgendwie muss die Notwendigkeit nach einem größeren Trainingsreiz einerseits und längeren Erholungszeiten andererseits berücksichtigt werden. Das Prinzip von Progressive Overload gilt auch weiterhin, kann aber nicht mehr über das simple Steigern des Hantelgewichtes erfolgen.
Was kann man also tun?
Man schafft einen Overload jetzt über ein Erhöhen des Trainingsvolumens und steigert damit seine Arbeitskapazität.
Die Arbeitskapazität ist das Maximum an Arbeit, das verrichtet werden und von der sich der Sportler noch erholen kann (auch „Maximum Recoverable Volume“ (8)). Es kann dabei immer nur eine bestimmte Menge an Training toleriert werden, alles darüber hinaus und der Sportler könnte sich von diesem zu großen Stress nicht mehr erholen. Wo diese Toleranzgrenze liegt, hängt von mehreren Faktoren ab, wie Genetik, Ernährung, Lebensstil, aber auch dem Leistungslevel (s. Abb. 2).
Wird nun allerdings die Arbeitskapazität erhöht, dann rutscht der Pfeil im Schaubild ein Stück weiter nach rechts oben – es wird wieder mehr Arbeit toleriert, damit ein ausreichend großer Reiz gesetzt und weiter Fortschritt gemacht werden kann.
Damit die Arbeitskapazität steigt, muss das Volumen erhöht werden. Wie anfangs erwähnt, profitieren Anfänger bereits von niedrigen Trainingsmfängen. Irgendwann reicht das aber nicht mehr aus und das Volumen muss im Laufe der Zeit steigen (3,10,12).
Zwar hat auch ein Erhöhen der Gewichte bei Anfängerprogrammen diesen Effekt zufolge – steigert sich ein Athlet beispielsweise von:
3x5x100kg (=1.500kg) auf
3x5x102,5kg (=1.537,5kg)
…so erhöht sich der Umfang um 37,5kg. Allerdings ist dieses zusätzlich generierte Volumen sehr gering und eine solche simple Steigerung findet auf höherem Level sowieso nicht mehr so einfach statt.
Das Volumen muss folglich auf eine andere Art und Weise weiter angehoben werden. Es gibt unzählige Möglichkeiten, das zu tun und hängt von der Zielsetzung eines Sportlers ab.
Liegt der Fokus vor allem auf dem Steigern in den Grundübungen, dann sollte auch hier der Umfang vorerst steigen. Das kann entweder durch mehr Wiederholungen pro Satz, mehr Sätze pro Übung oder eine höhere Frequenz erreicht werden. Die einfachste Variante ist, einfach mehr Sätze und/oder Wiederholungen an den bestehenden Plan anzufügen. Wurden in der Kniebeuge bisher 3 Sätze mit je 5 Wiederholungen absolviert, könnte man auf 4 Sätze mit je 5 Wiederholungen oder anstelle von 5 Wiederholungen pro Satz auf 6 Wiederholungen pro Satz erweitern. Auch denkbar wären sogenannte „Back-Off-Sets“. In diesem Falle blieben die 3 Sätze mit je 5 Wiederholungen bestehen und im Anschluss würden noch zusätzlich 1-2 Sätze mit leichterem Gewicht (=Back-Off-Sets) eingebaut.
Das Volumen kann auch durch zusätzliche Übungen und Übungsvariationen erhöht werden. Für solche, die ihren Fokus primär auf die optische Entwicklung legen, kann hier die Implementierung mehrerer Übungen sinnvoll sein, um eine gleichmäßige Entwicklung aller Muskeln im Körper zu gewährleisten (13). Eine Variante wäre z.B., nach dem Bankdrücken noch 1-2 Sätze Schrägbankdrücken oder am Ende des Trainings eine Isolationsübung wie Fliegende mit einzubauen. Ein anderer, der rein an der Steigerung der Kraft in den wenigen Grundübungen interessiert ist, kann solche Übungen verwenden, die speziell auf Schwächen in seinen Hauptübungen eingehen (wird aber meist erst auf höherem Level relevant).
Auch wenn sich die Zielsetzung unterscheidet, sollte immer bedacht werden, dass sowohl Zuwächse in Kraft als auch in Muskelmasse stark miteinander korrelieren und sich auch nicht exklusiv voneinander zu entwickeln scheinen, solange das Volumen gleich bleibt – wer stärker werden möchte, muss irgendwann auch Muskeln zulegen und wer Muskeln aufbauen will, muss auch stärker werden (9,13-16)! Die Basisübungen sollten im Falle eines „Bodybuilding-Interessierten“ also nicht einfach gegen endlose Isolationsübungen ausgetauscht werden und ebenso kann ein Kraftdreikämpfer von zusätzlichen, passenden Nebenübungen profitieren.
Ebenfalls denkbar wäre, einen weiteren Trainingstag hinzuzufügen. Die bisher ausgeführten Bewegungen könnten dann auf einen weiteren Tag, inklusive einiger zusätzlichen Übungen, verteilt werden. Die Möglichkeiten sind wirklich nahezu endlos.
Orientiert man sich bezüglich Volumen und Frequenz an den Empfehlungen von an Helms et al. und einer aktuell erschienenen Meta-Studie von Schoenfeld et al., dann sind für jeden Muskel/jede Übung wohl 1-3 Trainingseinheiten und 40-70 Wiederholungen pro Training optimal.
Die gängigen Anfängerpläne liegen bzgl. dem Volumen meist unter diesem Bereich. Beim Erhöhen des Volumens ist es trotzdem sinnvoll, vorerst eher kleinere Änderungen zu machen und nicht direkt an das obere Ende der Empfehlung zu springen. Damit bleibt immer etwas Raum, um den Umfang zu erhöhen, wenn es wieder zu Stagnationen kommen sollte.
Natürlich ist ein Steigern des Volumens nicht unbegrenzt möglich. Nach einigen Monaten kann es sinnvoll sein, mit dann gestiegener Arbeitskapazität und neu gewonnener Muskelmasse, wieder auf eine Phase mit niedrigerem Volumen und höheren Intensitäten umzusteigen. Dieser Prozess lässt sich im Prinzip immer wieder, evtl. mit ein paar Anpassungen, wiederholen.
Beim Planen dieses höheren Trainingsumfangs muss berücksichtigt werden, dass der Trainierende mittlerweile auch längere Erholungsphasen benötigt. Beim Versuch, in einem einzelnen Training einen ausreichend großen Reiz zu setzen, müsste das Volumen und/oder die Intensität schlichtweg so hoch sein, dass sich der Trainierende davon nicht bis zur nächsten Einheit erholen könnte. Auch wird es kaum mehr möglich sein, dieselben Trainingseinheiten mehrmals pro Woche, mit immer höherem Gewicht auszuführen.
Der nächste Schritt ist deshalb ein langsameres Steigern der Gewichte. Statt von Einheit zu Einheit wird die Last jetzt „nur“ noch von Woche zu Woche oder alle zwei Wochen erhöht. Innerhalb dieses längeren Zeitraums können die Trainingseinheiten so aufeinander aufbauen, zusammen für den nötigen Stress sorgen und trotzdem die notwendige Regeneration ermöglichen, um sich von dieser Belastungen zu erholen (nicht sonderlich effektiv wäre es – wird aber leider oft gemacht – direkt auf weit fortgeschrittene Pläne umzusteigen, bei denen dieses Steigern nur im Abstand vieler Wochen folgt).
Wird eine Übung beispielsweise 3x pro Woche ausgeführt, so würde eine Steigerung nicht mehr von Montag (3x5x100kg) nach Mittwoch (3x5x102,5kg) nach Freitag (3x5x105kg) und wieder nach Montag (3x5x107,5kg) stattfinden, sondern von Montag zu Montag, Mittwoch zu Mittwoch und Freitag zu Freitag.
Zusätzlich ist es sinnvoll, neben schweren nun auch mittelschwere oder leichte Trainingseinheiten in eine Trainingswoche zu integrieren und nicht alle Tage exakt gleich zu gestalten.
Eine gute Strategie, um das umzusetzen, liegt in dem Ansatz einer „Daily Undulating Periodization“. Satz- und Wiederholungsschemata sowie die verwendeten Gewichte werden dabei von Tag zu Tag variiert, vorausgesetzt, eine Übung/Muskelgruppe wird mehrmals pro Woche trainiert.
Kniebeugen würden also nicht mehr 3x wöchentlich, immer mit 3 Sätze und 5 Wiederholungen und der nahezu selben Intensität, absolviert. Für jemanden mit Fokus auf den Grundübungen könnte Montag z.B. ein Volumentag, mit 4 Sätzen und je 6 Wiederholungen sein, Mittwoch eine leichtere Technikeinheit mit 4 Sätzen und je 2 Wiederholungen und Freitag eine schwere Einheit mit 3 Sätzen und je 3 Wiederholungen.
Diese Variation von Gewicht, Satz- und Wiederholungszahlen erlaubt, den Fokus innerhalb einer Woche auf unterschiedliche Aspekte zu legen (Volumen, Technik/Erholung, Kraft mit hohen % des 1RM), schafft längere Erholungsphasen (harte Einheiten wären in diesem Beispiel nur am Montag und Freitag) und kann auch mental leichter zu bewältigen sein, als jede Einheit das exakt selbe Schema zu absolvieren.
Da es derart viele Herangehensweisen gibt, das Training zu planen und immer von der Zielstellung einer Person abhängt, sollte das folgende Beispiel auch so verstanden werden: als ein Beispiel. Nichts ist in Stein gemeißelt oder unbedingt besser, es ist schlichtweg eine gute Möglichkeit von Vielen, um den Übergang vom Anfänger zum Fortgeschrittenen umzusetzen.
Nehmen wir an, ein Sportler mit 80kg Körpergewicht ist bisher einem 3-tägigen Ganzkörperprogramm gefolgt. Tag A wurde montags und freitags, Tag B immer mittwochs ausgeführt. Jede Woche wurde die Kniebeuge 3x , das Kreuzheben 1x, Bankdrücken 2x, Schulterdrücken 1x, Rudern 2x und Klimmzüge 1x trainiert. In jeder Einheit wurde das verwendete Gewicht erhöht, was mittlerweile aber nicht mehr möglich ist.
Die letzte Trainingswoche mit aktuellen Kraftwerten sah so aus:
Daraus lässt sich absolvierte Volumen für jede Übung ermitteln. Zur Vereinfachung fassen wir alle Oberkörper Zug- und Drückbewegungen jeweils in einer Kategorie zusammen. Das Volumen im Kreuzheben wird zur Hälfte dem Unterkörper und zur Hälfte den Oberkörper-Zugübungen zugeteilt. Das ergibt:
1.) Unterkörper: (3x5x95kg)+(3x5x97,5kg)+(3x5x100kg)+(5x110kg) = 4.937,5kg (50 Wiederholungen pro Woche)
2.) Oberkörper-Drückbewegungen: … = 2.362,5kg (45 Wiederholungen pro Woche)
3.) Oberkörper-Zugbewegungen: … = 2.910kg (49 Wiederholungen pro Woche)
Das Training macht ihm Spaß und er möchte sich weiter auf das Steigern in den Grundübungen konzentrieren. Nur bei der Technik im Bankdrücken fühlt er sich noch etwas unsicher und hat vor allem Schwierigkeiten mit dem letzten Drittel der Bewegung. Im Bankdrücken hat er auch in Vergangenheit verhältnismäßig größere Schwierigkeiten gehabt, Fortschritte zu machen.
Setzt man nun um, was bisher beschrieben wurde, könnte das Training für die nächsten Wochen folgendermaßen aussehen.
Der Trainingsumfang insgesamt ist deutlich gestiegen, vor allem im Oberkörper, der Schwachstelle der Person in diesem Beispiel.
1.) Unterkörper: (4x5x90kg)+(3x5x80kg)+(5x105kg)+(12x90kg)+(750kg) = 5.355kg (~60 Wiederholungen pro Woche)
2.) Oberkörper-Drückbewegungen: … = 3.190kg (68 Wiederholungen pro Woche)
3.) Oberkörper-Zugbewegungen: … = 3.710kg (~71 Wiederholungen pro Woche)
Trotzdem liegen wir in diesem Beispiel problemlos in bzw. immer noch am ziemlichen unteren Ende der empfohlenen Werte.
Es gibt nun nicht mehr 2 verschiedene Trainingstage, sondern 3. Dabei sind diese Tage nach dem Schema „Volumen, leicht, schwer“ aufgebaut. Satz-, Wiederholungszahlen und Intensitäten unterscheiden sich also zwischen den einzelnen Tagen (DUP). Somit kann ein genügend großer Reiz gesetzt, aber die notwendige längere Erholungszeit berücksichtigt werden.
Für die Kniebeuge ist Tag A jetzt die Einheit mit dem meisten Volumen. Am Mittwoch folgt mit pausierten Kniebeugen ein relativ leichter Tag für den Unterkörper, weil dabei nicht so viel Gewicht bewältigt, dafür aber vor allem die Technik geübt werden kann. Das ermöglicht genug Erholung, um für Freitag, den intensivsten Tag für den Unterkörper, vorbereitet zu sein. Das ist quasi der „Rekord-Tag“. In der Beuge steht hier ein schwerer 5er Satz an, in dem man jede Woche versuchen sollte, mehr Gewicht aufzulegen und relativ gut Aufschluss darüber gibt, ob das Training voran geht. Im Anschluss daran, immer in Abhängigkeit von der Leistung in diesem Top Satz, werden 2 weitere Back-Off-Sets ausgeführt. Werden wie in der Grafik beispielsweise 105kg für 5 Wiederholungen bewältigt, ergeben sich daraus 90kg für die Folgesätze. Das Kreuzheben bleibt vorerst ein mal pro Woche auf dem Programm.
Beim Bankdrücken hat sich die Frequenz von 2 auf 3 Tage erhöht, um die Technik, die Schwachstelle unseres Sportlers, möglichst oft üben zu können. In diesem Fall ist der Montag der schwerste Tag der Woche. Auch hier werden ein Top Satz und 2 Back-Off-Sets bewältigt. Das Gewicht sollte ebenfalls jede Woche, wenn möglich, erhöht werden. An Tag B wird enges Bankdrücken ausgeführt, bei dem zwar weniger Gewicht verwendet, dafür die Belastung aber etwas stärker auf den Trizeps verschoben werden kann. Freitag ist ein leichter Tag, an dem mit pausiertem Bankdrücken weiter an der Technik und Kontrolle gearbeitet werden soll. Da in dieser Einheit der Fokus auf schweren Kniebeugen und schwerem Kreuzheben liegt, ist der Trainierende vermutlich sowieso schon ziemlich erschöpft, sodass höhere Intensitäten auch noch im Bankdrücken eher unpassend sein könnten. Außerdem wird dadurch genügend Regeneration im Oberkörper für den schweren Tag A erlaubt.
Wie ihr sehen könnt, sind die angegebenen Gewichte nicht so hoch, wie die tatsächlichen Kraftwerte des Sportlers (z.B. 4×5 mit 90kg, obwohl er zuvor schon 100kg für 3×5 bewältigt hat). Das lässt ein bisschen mehr Spielraum für zukünftige Gewichtssteigerungen und der Athlet kann sich langsam an das höhere Volumen rantasten.
Neben den bisherigen Übungen sind einige Variationen der Grundübungen hinzugekommen. Aus dem einfach Grund, die Schulter gesund und eine ausgeglichene muskuläre Entwicklung zu gewährleisten, wurden am Mittwoch außerdem 2-3 Isolationsübungen angefügt. Diese Übungen sind allerdings eher optional und kein Muss (aber mal ehrlich, wer möchte keine dicken Arme haben?).
Da sich die Trainingstage voneinander unterscheiden, erfolgt das Steigern der Gewichte nicht mehr von Einheit zu Einheit, sondern von Woche zu Woche. Am Montag wird aus 4 x 5 mit 90kg in Woche 1 beispielsweise 4 x 5 mit 92,5kg in Woche 2.
Anfangs sollten die absolvierten Sätze noch nicht am Limit sein – daher, wie oben erwähnt, die vorerst submaximalen Gewichte. Lasst ihr zu Beginn 2-3 Wiederholungen pro Satz „im Tank“, habt ihr wesentlich mehr Zeit, um im Laufe der kommenden Wochen mehr Gewicht aufzulegen.
Aber auch ein anderer Ansatz wäre möglich: ebenso könnten Satz- und Wiederholungszahlen bei gleichbleibendem Gewicht erhöht werden. Beispielsweise könnte sich der Sportler von 4×5 mit 90kg in der Kniebeuge nach und nach auf 4×8 mit 90kg hoch- und in Richtung der Empfehlungen von Helms et al. arbeiten.
Zugegebenermaßen, der Artikel ist doch deutlich länger geworden als geplant. Allerdings hoffe ich, dass ihr jetzt mit mit dem richtigen Werkzeug ausgestattet seid, um euer Training effektiv vom Anfänger zum Fortgeschrittenen zu planen. Es mag anfangs vielleicht etwas verwirrend erscheinen, aber mit etwas Übung und ein bisschen grundlegendem Verständnis für die Trainingsplanung im Kraftsport, sollte euch weiterer Fortschritt garantiert sein!
1 Rippetoe, M., Kilgore, L., Pendlay, G. (2008): Practical Programming 3. Auflage. Buchanan, Wichita Falls.
2 Folland, JP., Williams, AG. (2007): The Adaptations to Strength Training. Morphological and Neurological Contributions to
Increased Strength. In: Sports Med. Volume 37(2), 145–168.
URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17241104 (Letzter Zugriff: 26.03.2016).
3 Peterson, MD., Rhea MR., Alvar, BA. (2004): Maximizing Strength Development in Athletes: A Meta-Analysis to Determine the Dose-Response Relationship. In: Journal of Strength and Conditioning Research. Volume 18(2), 377–382.
URL: www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15142003 (Letzter Zugriff: 26.03.2016).
4 Strength Mechanisms. In: Strengthandconditioningresearch.com.
URL: http://www.strengthandconditioningresearch.com/strength/strength-mechanisms/#M4 (Letzter Zugriff: 26.03.2016).
5 Carroll, TJ., Riek, S., Carson, RG. (2001): Neural Adaptations to Resistance Training. Implications for Movement Control. In: Sports Med. Volume 31 (12), 829-840.
URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11665911 (Letzter Zugriff: 26.03.2016).
6 Schoenfeld, BJ. (2010): The Mechanisms of Muscle Hypertrophy and their Application to Resistance Training. In: Journal of Strength and Conditioning Research. Volume 24(10), 2857–2872.
URL: http://www.lookgreatnaked.com/articles/mechanisms_of_muscle_hypertrophy.pdf
(Letzter Zugriff: 26.03.2016).
7 Wernbom, M., Augustsson, J., Thomeé, R. (2007): The Influence of frequency, intensity, volume and mode of strength training on whole muscle cross-sectional area in humans. In: Sports Medicine New Zealand. Volume 37(3), 225-264.
URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17326698 (Letzter Zugriff: 26.03.2016).
8 Israetel, M., Smith, CW, Hoffmann, J. (2015): Scientific Principles of Strength Training.
9 Schoenfeld, BJ. (2014): Effects of different volume-equated resistance training loading strategies on muscular adaptations in well-trained men. In: Journal of Strength and Conditioning Research. Volume 28(10), 2909-18.
URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24714538 (Letzter Zugriff: 26.03.2016).
10 Helms, E., Morgan, A., Valdez, A. (2015): The Muscle and Strength Training Pyramid.
11 Kraemer, WJ., Ratamess, N. (2004): Fundamentals of Resistance Training: Progression and Exercise Prescription. In: Medicine & Science in Sports & Exercise. Volume 36(4), 2909-18.
URL: https://www.researchgate.net/profile/Nicholas_Ratamess/publication/8636198_
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02e7e53297a5bc9d71000000.pdf (Letzter Zugriff: 26.03.2016)
12 Helms, E., Fitschen, PJ., Aragon, A., Cronin, J.Schoenfeld, BJ. (2014): Recommendations for Natural Bodybuilding Contest Preparation: Resistance and Cardiovascular Training. In: The Journal of Sports Medicine and Phsysical Fitness. [Epub ahead of print]
URL: https://www.researchgate.net/publication/263746347_Recommendations_for_natural
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13 Schoenfeld, BJ. (2010): The mechanisms of muscle hypertrophy and their application to resistance training. In: Journal of Strength and Conditioning Research. Volume 24(10), 2857–2872.
URL: http://www.lookgreatnaked.com/articles/mechanisms_of_muscle_hypertrophy.pdf (Letzter Zugriff: 26.03.2016).
14 Brechue, WF., Abe, T. (2002): The role of FFM accumulation and skeletal muscle architecture in powerlifting performance. In: European Journal of Applied Physiology. Volume 86(4), 327-36.
URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11990746 (Letzter Zugriff: 26.03.2016).
15 Hypertrophy mechanisms. In: strengthandconditioningresearch.com.
URL: http://www.strengthandconditioningresearch.com/hypertrophy/hypertrophy-mechanisms/ (Letzter Zugriff: 26.03.2016).
16 Nuckols, G. (2015): Powerlifters Should Train More Like Bodybuilders. In: strengtheory.com.
URL: http://strengtheory.com/powerlifters-should-train-more-like-bodybuilders/ (Letzter Zugriff: 26.03.2016).
17 Schoenfeld, BJ., Ogborn, D., Krieger, J. (2016): Effects of Resistance Training Frequency on Measures of Muscle Hypertrophy: A Systematic Review and Meta-Analysis. In: Sports Med.
URL: https://www.researchgate.net/publication/301578131_Effects_of_Resistance_Training_Frequency_on_Measures_of_Muscle_Hypertrophy_A_Systematic_Review_and_Meta-Analysis (Letzter Zugriff: 26.03.2016).
4 Comments to "Training richtig planen – vom Beginner zum Fortgeschrittenen"
Jacob says:
20. Mai 2016 at 13:35 -
Sehr guter Artikel!
Simon says:
21. Mai 2016 at 8:59 -
Vielen Dank Jacob, freut mich sehr, wenn er dir gefallen hat!
Nerd Linger says:
29. März 2020 at 19:39 -
Woah… Da hat man direkt keine Lust mehr was zu planen xD.
Top Artikel mit vielen Infos!
Simon says:
7. August 2020 at 15:52 -
Das freut mich sehr, vielen Dank dafür! 🙂