In einem früheren Post hier auf Facebook habe ich die 3 wichtigsten Trainingsprinzipien bereits kurz erläutert. Die Spezifität steht dabei (meiner Meinung nach neben Kontinuität) an erster Stelle.
Nochmal kurz für das Verständnis: Spezifität meint, dass du die Sache, in der du gut werden möchtest, auch ausführen musst.
Um gut zu werden, muss ein Kraftdreikämpfer, zumindest zeitweise, Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben in seinem Programm haben. Ein Gewichtheber muss Umsetzen und Stoßen. Und ein Fußballspieler muss Fußball spielen.
Wenn du der beste Bankdrücker der Welt werden möchtest, dann wird dich Dart spielen deinem Ziel kaum näherbringen.
Nun ist es allerdings so, dass sich die Spezifik eines Trainings von Person zu Person vollkommen unterscheidet.
Für den Kraftdreikämpfer entspricht z.B. ein 1RM (One Repetition Maximum = Maximal bewältigtes Gewicht für 1 Wdh.) in der Kniebeuge, eine seiner Wettkampfdisziplinen, 100% Spezifität.
Für den Gewichtheber allerdings ist die Kniebeuge nur eine Nebenübung, die helfen soll, die Wettkampfdisziplin zu verbessern. Sie ist zwar immer noch relativ spezifisch, weil der Bewegungsablauf einer Kniebeuge und die involvierten Muskeln in dieser Übung auch im Umsetzen & Stoßen gefordert werden. Aber die Kniebeuge an sich ist keine Wettkampfdisziplin.
Für den Fußballer ist die Kniebeuge noch unspezifischer. Kaum eine Bewegung während eines Fußballspiels wird der einer Kniebeuge gleichkommen (schon gar nicht mit einer Hantel auf dem Rücken), aber zumindest kann die Kniebeuge helfen, die Leistungsfähigkeit des Spielers zu verbessern, indem sie ihn z.B. zu einem besseren Sprinter macht.
Für den Sportler, der „einfach nur“ muskulös und stark werden möchte und nicht an Wettkämpfen teilnimmt, besteht Spezifik im Prinzip darin, wo auch immer er sich seine Ziele gesetzt hat. Möchte er 200kg 1x beugen? Dann ist eine Kniebeuge sehr spezifisch. Möchte er 20 Klimmzüge schaffen? Dann ist eine Kniebeuge völlig unspezifisch und der Klimmzug hingegen sehr spezifisch.
Ich habe in letzter Zeit einige Kommentare gelesen, die diesen Faktor der Individualität völlig ausgeblendet zu haben scheinen und sich quasi immer auf den Fall eines Kraftdreikämpfers bezogen.
Wieso machst du normale Kniebeugen? Die sind doch viel zu spezifisch. Mach‘ lieber eine Kniebeugevariation!
Nun sollte man sich aber fragen: Um was für eine Person handelt es sich hier, der man diesen Ratschlag erteilt? Ist es ein Kraftdreikämpfer fernab von einem Wettkampf? Dann kann es durchaus Sinn machen, auf eine Variation der Wettkampfkniebeuge zurückzugreifen, um an Schwachstellen zu arbeiten und einen neuen Stimulus zu setzen.
Ist es aber jemand, der einfach muskulös und stark werden möchte, Spaß am Krafttraining hat und dessen Ziel nicht in der Entwicklung einer möglichst starken Kniebeuge besteht, dann macht diese Aussage nur wenig Sinn.
Zwar sollte auch in diesem Fall Variation in das Training eingebaut werden (sprich, nicht ganzjährig das Selbe Satz- und Wiederholungsschema in der selben Übung ausführen), um optimalen Fortschritt zu gewährleisten. Aber es ist nicht zwingend notwendig, die reguläre Kniebeuge komplett aus dem Programm zu nehmen.
Möchtet ihr einer Person Ratschläge geben oder deren Training gestalten, bezieht immer auch deren Sport und Ziele mit ein!
Und fragt euch selbst: Worin besteht eigentlich mein Ziel (und damit meine Spezifität)?
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